In der Debatte um die allgemeine Impfpflicht hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Bundestag nachdrücklich um Unterstützung für die Einführung einer Impfpflicht geworben – und sparte nicht an klaren Worten. "Wo stehen wir jetzt", fragte Lauterbach. "Wir müssen uns auf den Herbst vorbereiten", sonst drohe erneut eine Überlastung des Gesundheitssystems. "Und was ist dann mit den Kindern? Den Geschäften?"
Lauterbach sieht in der Impflicht eine einmalige Chance: "Wir können die Pandemie für Deutschland zum ersten Mal beenden mit der Impfpflicht". Und: "Wir stehen im Herbst an der gleichen Stelle wie jetzt, wenn wir diese einmalige Chance nicht gemeinsam ergreifen."
Karl Lauterbach: Ungeimpfte tragen Verantwortung für schlechte Lage
Lauterbach betonte, dass die vorhandenen Impfstoffe wirkten, um schwere Krankheiten und Tod zu verhindern und warnte: "Die Wahrscheinlichkeit, dass wir im Herbst keine Schwierigkeiten haben, die Corona-Pandemie zu bekämpfen, liegt bei fast null Prozent."
Dann werde sich auch wieder die Frage einer Überlastung des Gesundheitssystems stellen und über Beschränkungen diskutiert werden müssen, machte Lauterbach deutlich, um anschließend Impfgegner zu kritisieren: "Das ganze Land wird in Geiselhaft dieser Menschen sein. Das können wir uns nicht mehr leisten." Das sei gegen jede wissenschaftliche Evidenz. "Die Ungeimpften tragen derzeit die Verantwortung dafür, dass wir nicht weiterkommen."
Wenn es gelinge, bei Über-60-Jährigen eine Impfquote deutlich über 90 Prozent zu bekommen und im Rest der Bevölkerung eine so hohe, dass Wellen sich nicht mehr richtig ausbreiten könnten, dann müsse man nicht erneut in die bisherigen Endlosschleifen zurück, sagte Lauterbach. Er äußerte sich in der Debatte nicht als Minister, sondern ging aus den Abgeordnetenreihen der SPD ans Rednerpult.
Vier weitere Anträge
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen sprach sich für den Entwurf aus, eine Impfpflicht ab 18 einzuführen: "Bringen wir diese Pandemie hinter uns, erledigen wir das Virus und kehren wir dann zur Freiheit zurück", sagte er. Das Problem: Nur 236 Abgeordnete unterstützen den Antrag. Das ist weit entfernt von der Mehrheit.
Der FDP-Abgeordnete Andrew Ullmann warb für seinen Vorschlag, eine Beratungspflicht für alle ab 18 einzuführen – mit der Möglichkeit, später eine Impfpflicht ab 50 zu schaffen. Seine Gruppe traue den Menschen zu, die richtige Entscheidung zu treffen – mit einer guten und professionellen Aufklärung.
Mit dem von der Union vorgesehenen Vorsorgegesetz soll ein gestuftes Verfahren nach Berufs- und Altersgruppen eingeführt werden. Die Impfpflicht müsste demnach durch einen gesonderten Beschluss des Bundestags aktiviert werden. Zudem hält die CDU/CSU ein Impfregister für erforderlich.

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AfD ist gegen Impfpflicht
Für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 gebe es derzeit keine Mehrheit, sagte Unionsfraktionsvize Sepp Müller. "Zu diesem Zeitpunkt ist die allgemeine Impfpflicht tot."
Der FDP-Abgeordnete Manuel Höferlin wandte sich gegen jegliche Impfpflicht und unterstützte damit den Vorstoß von FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki. Die Impfung schütze zwar vor schweren Krankheitsverläufen oder dem Tod. Daraus resultiere aber keine Pflicht. Er verwies darauf, dass Österreich die dort eingeführte Impfpflicht inzwischen ausgesetzt habe.
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel wandte sich ebenfalls gegen jegliche Impfpflicht. Der von der Impfung erhoffte Schutz stehe in Frage, auf den Intensivstationen lägen auch viele Geimpfte und Geboosterte. "Die Argumente für die Impfpflicht waren von Anfang an schwach und sind wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen." Die AfD wendet sich in einem eigenen Antrag gegen die Impfpflicht.