Sie ist blutjung, oft noch nicht einmal mit der Schule fertig. Er ist so alt, er könnte ihr Vater sein - manchmal sogar der Großvater. Trotzdem sind beide rechtmäßig Mann und Frau. Beim Wort Kinderehe denken die meisten an zwangsverheiratete Mädchen aus arabischen Ländern. Doch einem Bericht der "Welt am Sonntag" zufolge hält das Phänomen nun auch in Deutschland Einzug. Demnach wurden mehr als 1000 Kinderehen in den Bundesländern gezählt, die Dunkelziffer liegt vermutlich noch höher. Die Kinderbräute kamen mit der Flüchtlingswelle oder wurden hierzulande in Roma-Familien verheiratet.
Staat muss Selbstbestimmungsrecht schützen
Bundesjustizminister Heiko Maas hat gegenüber der Zeitung nun die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe angekündigt, die sich ab dem 5. September mit dem Thema Kinderehe beschäftigt. Auch sein SPD-Kollege Thomas Oppermann sieht Handlungsbedarf: Mädchen und junge Frauen werden häufig zur Kinderehe gezwungen, deshalb müsse der Staat das Selbstbestimmungsrecht schützen, erklärte er der "Welt am Sonntag".
Die Folgen seien häufig zu frühe Schwangerschaften und Schulabbrüche, manchmal kehren die Mädchen nie wieder in die Schule zurück. "Insbesondere junge Flüchtlinge müssen aufgeklärt werden, welche Rechte sie in Deutschland haben", so Oppermann. "Zwangsehen sind in Deutschland strafbar, das ist auch richtig so. Niemand, erst recht nicht ein Kind, darf zur Ehe gezwungen werden."
Mindestalter von 18 Jahren gefordert
Das Problem: Bislang werden hierzulande Ehen nach dem Recht des Staates anerkannt, dem die Ehegatten angehörten. In vielen Herkunftsländern von Flüchtlingen sei die Ehe mit Minderjährigen oder Kindern aber legal. Das will der CDU-Politiker Armin Schuster nicht länger hinnehmen: Er fordert, dass die Ehemündigkeit sich ausschließlich nach deutschem Recht richten müsse. "Eine diesbezügliche Gesetzesänderung halte ich für dringend erforderlich", erklärte er der "Welt am Sonntag".
Vertreter des Deutschen Kinderschutzbundes und der Evangelischen Kirche fordern, das Mindestheiratsalter in Deutschland auf 18 Jahre anzuheben. Bislang sind Hochzeiten im Ausnahmefall auch ab dem vollendeten 16. Lebensjahr möglich. Zudem müsse das Strafrecht so geändert werden, dass auch Ehen, die durch religiöse oder soziale Zeremonien geschlossen werden, als Zwangsverheiratung gelten. Nur so können sie als Straftatbestand erfasst werden.
Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, stört sich generell an dem Begriff Kinderehe: "Es sind keine Ehemänner, sondern oft Kinderschänder, die bestraft werden müssen", sagte er der "Welt am Sonntag".