Koalition Es kracht überall

Der schwarz-gelbe Koalitionsstreit eskaliert: CSU-Chef Horst Seehofer findet Hartz IV "eines Sozialstaats unwürdig". FDP-Chef Guido Westerwelle widerspricht und prangert die "sozialistische Diskussion" an. Auch bei der Kopfpauschale gibt es wieder Zoff.

Alle Krisentreffen haben nichts gebracht: Allein an diesem Donnerstag haben CSU und FDP auf gleich drei wichtigen Politikfeldern Streit vom Zaun gebrochen. Mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts will CSU-Chef Horst Seehofer Hartz IV weitgehend neu regeln. Die bisherigen Regelungen seien "eines Sozialstaats unwürdig", kritisierte Seehofer in der "Süddeutschen Zeitung" - und rechnet dabei auch mit höheren Kosten. "Wir dürfen da nicht nur nach Kassenlage entscheiden", sagte er. So müsse es künftig wieder möglich sein, Hartz-IV-Empfänger bei einmaligen Anschaffungen zu unterstützen, wie etwa beim Kauf einer Waschmaschine. Auch sollten die Zahlungen zum Beispiel an die regional unterschiedlich hohen Lebenshaltungskosten angepasst werden können, forderte er.

Das genaue Gegenteil von Seehofer postulierte FDP-Chef Guido Westerwelle in einem markigen Gastkommentar für die "Welt". Die Diskussion über das Hartz-IV-Urteil trage "sozialistische Züge": "Wie in einem pawlowschen Reflex wird gerufen, jetzt könne es erst recht keine Entlastung der Bürger mehr geben, das Geld brauche man für höhere Hartz-IV-Sätze."

Statt über die Frage zu diskutieren, wer mehr staatliche Leistungen bekommt, sollten die Leistungen des Steuerzahlers in den Mittelpunkt gerückt werden. "Dieses Umsteuern ist für mich der Kern der geistig-politischen Wende, die ich nach der Diskussion über die Karlsruher Entscheidung für nötiger halte denn je", schreibt Westerwelle. In Deutschland habe man zu lange die Verteilung optimiert und darüber vergessen, wo Wohlstand herkomme. "Es scheint in Deutschland nur noch Bezieher von Steuergeld zu geben, aber niemanden, der das alles erarbeitet. Empfänger sind in aller Munde, doch die, die alles bezahlen, finden kaum Beachtung", erklärt Westerwelle. Stattdessen pochte er auf die versprochenen Steuersenkungen und ein durchlässiges Bildungssystem.

FDP-Vize warnt vor Wahlbetrug

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart ging noch einen Schritt weiter als Westerwelle und warnte die Union unmissverständlich vor Wahlbetrug. Teile der Union wollten sich nach und nach von ihren Wahlversprechen absetzen, sagte er dem "Handelsblatt". "Mich erinnert das an das Wahlversprechen der SPD aus dem Bundestagswahlkampf 2005, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen", sagte Pinkwart. Das sei eine eindeutige Wählertäuschung gewesen. Er warnte die Union davor, "in die gleiche Richtung zu laufen".

Pinkwart kritisierte die Union, eine Steuerreform von der Steuerschätzung im Mai abhängig zu machen: "Wenn es um die Rettung von Banken oder Konzernen wie etwa Opel geht, ist irgendwie immer Geld da. Wenn es aber darum geht, denen mehr von ihrem Geld zu belassen, die den Karren ziehen, dann soll angeblich kein Geld da sein."

Streit auch um die Kopfpauschale

Der Streit ums Geld flammte am Donnerstag auch bei der koalitionsinternen Debatte um die Gesundheitsreform neu auf. Hier steht die Union den FDP-Plänen für eine Kopfpauschale zunehmend kritisch gegenüber. "Eine Reform zulasten Dritter, nämlich zulasten des Steuerzahlers, wird nicht ohne weiteres durchsetzbar sein", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johannes Singhammer (CSU) der "Süddeutschen Zeitung". Er wandte sich damit gegen das Vorhaben von FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler, einen einheitlichen Beitrag für alle Versicherten unabhängig von ihrem Einkommen einzuführen und soziale Härten mit Steuermitteln auszugleichen.

Offener Widerstand kommt auch aus dem Finanzministerium. Laut "Süddeutscher Zeitung" haben die Beamten von Ressortchef Wolfgang Schäuble (CDU) ermittelt, wie hoch die Einkommensteuer steigen müsste, um die Kopfpauschale zu finanzieren. Diese liegen nach Einschätzung von Experten zwischen 20 und 35 Milliarden Euro.

Die Antwort: Allein um 20 Milliarden Euro zusätzlich einzunehmen, müsste der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer auf 73 Prozent steigen und ab einem Einkommen von 120.664 Euro gelten, berichtet die Zeitung aus einem Schreiben von Staatssekretär Hartmut Koschyk. Dass dies politisch ausgeschlossen ist, liegt auf der Hand.

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DPA/AFP/APN