Sie wollten es ganz anders machen: Liquid Democracy statt Fraktionszwang, Debattenkultur der Masse statt Basta-Entscheidungen. Doch dann verzettelten sich die Piraten in endlosen Richtungsstreitigkeiten und personellen Kleinkriegen. Die Quittung folgte in Niedersachsen: Bei der Landtagswahl watschte der Wähler die hoffnungsvoll gestarteten Neulinge mit 2,1 Prozentpunkten ab.
Ein alarmierendes Signal für Bernd Schlömer, der die Strategie seiner Partei nun gehörig umkrempeln will. Der Parteivorsitzende will durchsetzen, dass die Partei ihre Kampagne künftig auf ihre Spitzenleute zuschneidet. "Wir müssen Köpfe zeigen, Menschen zeigen, Sympathieträger", sagte er am Samstag im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Die Partei könne "nicht weiter allein darauf setzen, Themen zu transportieren". Vor einem Jahr hatte Schlömer noch das krasse Gegenteil erklärt: "Wir setzen auf Schwarmintelligenz und weniger auf Köpfe", sagte Schlömer im Januar 2012. Zu jenem Zeitpunkt lagen die Parteien in Umfragen allerdings noch bei sieben Prozent.
Spitzenteam soll bis April stehen
Ein Jahr später übt Schlömer harte Kritik am Erscheinungsbild der Piraten: "Die Menschen wissen einfach nicht, wofür die Piratenpartei steht. Und sie verbinden mit der Piratenpartei auch keine Menschen." Spätestens im April wolle er ein Spitzenteam für die Bundestagswahl präsentieren: Die darin versammelten Kandidaten "sollen die Möglichkeit haben, eigenverantwortlich Position beziehen zu können".
Schlömer gab zu, dass dieser Schritt ein Bruch mit dem Grundprinzip der Piraten sei, wonach allein die Basis über alle politischen Positionen der Partei entscheidet: "Das ist wahr, aber als Vorsitzender muss ich die Weiterentwicklung der Partei anregen." Zugleich kündigte er ein schärferes Vorgehen gegen Parteimitglieder an, die sich im Internet sexistisch oder menschenfeindlich äußern.