Bei den Berliner Sozialdemokraten gärt es. Seit Monaten tobt hinter den Kulissen ein Machtkampf um die künftige Führung der Hauptstadt-SPD. Dabei proben die Jüngeren und Linken in der Partei den Aufstand. Sie wollen den langjährigen SPD-Vorsitzenden Michael Müller, 47, den Vertrauten des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, an der SPD-Spitze ablösen. Dabei denken sie bereits weit in die Zukunft: Vordergründig geht es um den Kurs der Berliner SPD, tatsächlich aber um die Ära nach Wowereit.
Die in der Berliner SPD starke Linke will Wowereits Kronprinzen Müller als dessen natürlichen Nachfolger verhindern und ihm einen starken Konkurrenten aus den eigenen Reihen entgegensetzen. Seit Monaten wird kolportiert, dass der neue Sprecher der Berliner SPD-Linken, Jan Stöß, als Gegenkandidat zu Müller antreten wird. Doch der 38-Jährige erklärt sich bisher nicht öffentlich dazu.
Mit ihm an der Parteispitze und Raed Saleh, 34, an der Fraktionsspitze soll das sozialdemokratische Profil in der großen Koalition mit der CDU deutlicher werden. Die SPD müsse wieder stärker nach links ausgerichtet werden, heißt es.
Konspirative Nicht-Diskussionen und die spekulative Zukunft Wowereits
Müller, nicht so charismatisch wie Wowereit, trauen die Linken nicht zu, SPD pur überzeugend nach außen zu vertreten. Der 47-Jährige stieg im Dezember vom langjährigen Fraktionschef zum Senator für Stadtentwicklung auf. Er sei zu sehr in die Koalitionsdisziplin mit der CDU eingebunden, hieß es. Zudem verübeln Linke wie Rechte in der SPD dem Duo Müller/Wowereit, dass in den zehn Jahren Rot-Rot kaum jemand aus Fraktion und Partei die Chance bekam, auf lukrative Posten in Parlament und Senat aufzusteigen. Der geballte flügelübergreifende Frust könnte Müller auf dem Parteitag die Mehrheit verhageln.
Bizarr ist, dass dieser Machtkampf bis jetzt konspirativ ausgetragen wird. Kaum jemand in der Partei bekannte sich bisher öffentlich zu der Kritik an Müller. Das kritisiert der SPD-Chef: "Ich würde gerne offen darüber diskutieren: Wo soll es inhaltlich hingehen? Wie soll es anders gemacht werden als unter meiner Parteiführung? Im Moment findet das nicht statt, sondern es ist eine versteckte Diskussion, dass man etwas Anderes will."
Ebenso nebulös sind die strategischen Überlegungen der SPD-Linken. Denn Wowereits Zukunft ist gar nicht klar - dazu schweigt sich der Regierende Bürgermeister beharrlich aus. Parteiintern und in den Medien wird wild spekuliert, ob der 58-Jährige 2013 bei einem rot-grünen Wahlsieg im Bund als Minister in die Bundesregierung abwandern könnte. Bleibt Wowereit Regierender Bürgermeister, tritt er dann 2016 für eine vierte Amtsperiode im Roten Rathaus an?
Aktivposten ohne potentiellen Ersatz
Der gewiefte Machtstratege Wowereit lässt sich nicht in die Karten blicken. Gefragt, ob er bereit sei, 2016 noch einmal zu kandidieren, sagte er mit seinem üblichen Sphinx-Ausdruck: "Alle Fragen werden zu gegebener Zeit beantwortet." Aus parteiinternem Streit hat sich der Regierungschef immer fein herausgehalten.
Dennoch erwarten viele in der SPD jetzt auch ein Machtwort von Wowereit. Er solle deutlich Müller unterstützen, der ihm jahrelang als Fraktionschef den Rücken freigehalten hat. Erst auf Nachfragen von Journalisten sagte Wowereit dürre Sätze: "Ich unterstütze Michael Müller als Parteivorsitzenden. ... Und ansonsten werde ich mich nicht öffentlich in parteiinterne Angelegenheiten einmischen."

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Für den alten SPD-Haudegen Walter Momper ist die parteiinterne Debatte überflüssig und zur Unzeit. "Es ist doch absolut bescheuert, Jahre vor der Wahl 2016 zu spekulieren, wer Wowereit ersetzen könnte. Das wird dann entschieden, wenn es soweit ist", kritisierte Momper. "Im übrigen ist Wowereit da. Er ist ein Aktivposten für die Berliner SPD. Und den können die, die da kandidieren wollen, noch lange nicht ersetzen."