Kundgebung gegen Antisemitismus Angela Merkel: Jüdisches Leben ist Teil unserer Identität

Bei Protesten gegen den Gaza-Konflikt waren im Sommer wiederholt judenfeindliche Parolen zu hören. 5000 Menschen haben jetzt in Berlin ein Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt - auch die Kanzlerin.

Ein Zeichen gegen Antisemitismus und Judenfeindlichkeit haben tausende Menschen am Sonntag in Berlin gesetzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte auf der Kundgebung "jede Form von Judenfeindlichkeit in Deutschland und Europa auf das Schärfste". Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, zeigte sich erfreut über die breite Unterstützung.

Nach Polizeiangaben nahmen rund 5000 Menschen an der Veranstaltung unter dem Motto "Steh auf! Nie wieder Judenhass!" auf Einladung des Zentralrats der Juden teil. Jüdische Vertreter in Deutschland zeigen sich seit Monaten besorgt über wachsenden Antisemitismus. Am Rande von Demonstrationen gegen die im Sommer eskalierte Gewalt im Gazastreifen waren auch hierzulande judenfeindliche Parolen laut geworden.

Die Juden in Deutschland hätten "wahrlich kein Sommermärchen erlebt", sagte Graumann in seiner Rede. "Ich will nicht dramatisieren, aber das waren wirklich die schlimmsten antisemitischen Parolen seit vielen, vielen Jahrzehnten." In dieser Situation hätten sich die deutschen Juden "ein Stück mehr Gefühl, mehr Empathie" der Gesellschaft schon gewünscht.

Forderung nach Frieden

Merkel stellte sich in ihrer Rede klar hinter die jüdischen Mitbürger in Deutschland: Dass heutzutage Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben angepöbelt würden, "das ist ein ungeheurer Skandal". Sie betonte, dass die deutschen Behörden mit aller Härte gegen antisemitische Drohungen und Gewalt vorgingen: "Wir wollen, dass sich Juden in Deutschland sicher fühlen", sagte Merkel. "Mit dieser Kundgebung machen wir unmissverständlich klar: Jüdisches Leben gehört zu uns. Es ist Teil unserer Identität und Kultur."

Zu der Veranstaltung waren Menschen allen Alters und verschiedener Nationalitäten gekommen. Im Publikum saßen neben Bundespräsident Joachim Gauck und SPD-Chef Sigmar Gabriel auch der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff und Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD).

Wie eine AFP-Reporterin vor Ort berichtete, schwenkten Teilnehmer israelische Flaggen und Transparente mit Aufschriften wie "Frieden" - auch auf Arabisch - und "Schalom". "Ich finde es bedauerlich, dass es solange gedauert hat, eine solche Kundgebung zu organisieren", sagte etwa der 29-jährige Berliner Alexander Schramm AFP. "Ich bin da, um zu zeigen, dass wir wachsam bleiben."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Die katholische Kirche gehört zu Ihren Freunden"

Auch christliche Kirchenvertreter wandten sich gegen antisemitische Anfeindungen: "Die katholische Kirche gehört zu Ihren Freunden. Wir stehen an Ihrer Seite", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, an die Adresse der jüdischen Bürger. Dass jüdische Einrichtungen nach wie vor rund um die Uhr von der Polizei geschützt werden müssten, "erfüllt mich immer wieder neu mit Scham", sagte der Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider.

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, rief dazu auf, sich nicht von aus dem Nahen Osten nach Europa überschwappender "antisemitischer Propaganda" beeinflussen zu lassen. Deutschland habe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Wiedergeburt jüdischen Lebens unterstützt. "Lassen wir diese Scharlatane nicht 70 Jahre guter Arbeit einfach zunichte machen."

AFP
amt/AFP