Nach Partei-Querelen Lucke tritt aus AfD aus

Bernd Lucke
Enttäuschung über den Kurs der AfD: Der ehemalige Parteichef Bernd Lucke hat angekündigt, die Partei am Freitag zu verlassen.
© Patrick Herzog/AFP
Nach dem Verlust des Parteivorsitzes am Wochenende tritt Bernd Lucke nun aus der AfD aus. Grund sei der geänderte Kurs der Partei, den er nicht mittragen will.

Ex-AfD-Chef Bernd Lucke tritt nach dem verlorenen Machtkampf aus der Partei aus. Er wolle nicht als bürgerliches Aushängeschild für Vorstellungen missbraucht werden, die er grundsätzlich ablehne, teilte der Mitbegründer der Alternativen für Deutschland (AfD) am Mittwoch mit. "Dazu zählen insbesondere islamfeindliche und ausländerfeindliche Ansichten." Er habe zu spät erkannt, dass immer mehr Mitglieder in die Partei drängten, "die die AfD zu einer Protest- und Wutbürgerpartei umgestalten wollen". Kommenden Freitag werde er aus der AfD austreten.

Bei einem Mitgliederparteitag in Essen hatten sich am Wochenende die Bei einem Mitgliederparteitag in Essen hatten sich am Wochenende die nationalkonservativen Kräfte in der AfD klar durchgesetzt. Zur ersten Vorsitzenden wurde die frühere Co-Vorsitzende Frauke Petry aus Sachsen gewählt, Lucke gehört dem neuen Bundesvorstand nicht mehr an. Vorangegangen war ein monatelanger Machtkampf zwischen Petry und Lucke, der eher für liberal-konservative Ansichten steht. 

Neue Partei in Planung?

In der Erklärung des 52-jährigen heißt es weiter: "Ich habe sicherlich Fehler gemacht und zu den größten gehört zweifellos, dass ich zu spät erkannt habe, in welchem Umfang Mitglieder in die Partei drängten, die die AfD zu einer Protest- und Wutbürgerpartei umgestalten wollen." Beim Parteitag in Essen habe sich dann gezeigt, dass diese Wutbürger inzwischen in der AfD in der Mehrheit seien.

Über die mögliche Gründung einer neuen Partei habe er noch nicht entschieden, erklärte der 52-jährige Europaabgeordnete.  Nach Luckes Angaben sind seit dem Wochenende über tausend Mitglieder aus der AfD ausgetreten. Der von Lucke initiierten Verein "Weckruf 2015" will diese Woche entscheiden, ob er kollektiv die AfD verlässt und eine neue Partei gründet. Die AfD hat nach Parteiangaben rund 23.000 Mitglieder, der Weckruf nach eigenen Angaben gut 4000 Anhänger.

Bernd Luckes Erklärung im Wortlaut:

"Ich möchte Sie darüber informieren, dass ich am Freitag, dem 10.7.2015, aus der AfD austreten werde. Am selben Tag werden auch Ulrike Trebesius und sehr viele Funktionsträger und einfache Mitglieder die Partei verlassen. Wir werden diesen Schritt tun in der festen Absicht, auch weiterhin für die politischen Ziele einzustehen wegen derer wir gewählt wurden.

In der AfD sehe ich dafür leider keine Möglichkeit mehr, ohne gleichzeitig als bürgerliches Aushängeschild für politische Vorstellungen missbraucht zu werden, die ich aus tiefer Überzeugung ablehne. Dazu zählen insbesondere islamfeindliche und ausländerfeindliche Ansichten, die sich in der Partei teils offen, teils latent, immer stärker ausbreiten und die ursprüngliche liberale und weltoffene Ausrichtung der AfD in ihr Gegenteil verkehren.

Dazu zählt ferner eine antiwestliche, dezidiert prorussische außen- und sicherheitspolitische Orientierung, die sich in schmähender und jedes vernünftige Maß übersteigender Kritik an den USA äußert, während gleichzeitig die russische Politik vehement verteidigt wird. Die damit einhergehende Auffassung, dass Deutschland aus der NATO oder aus der EU austreten solle, halte ich für falsch und verantwortungslos. Sie widerspricht im Übrigen den bisherigen programmatischen Beschlüssen der AfD, gewinnt aber zusehends an Boden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Völlig inakzeptabel sind für mich auch die immer lauter werdenden Rufe von Parteimitgliedern, die bezüglich unserer Wirtschafts- und Finanzordnung oder bezüglich unserer parlamentarischen Demokratie die "Systemfrage" stellen wollen oder die Souveränität Deutschlands abstreiten, indem auf ein angeblich fortbestehendes Besatzungssystem oder Machenschaften amerikanischer Verschwörerkreise verwiesen wird.

Mein Austritt aus der AfD fällt mir nicht nur wegen meines eigenen Einsatzes für den Aufbau einer neuen, sachlich und konstruktiv wirkenden politischen Kraft unendlich schwer, sondern auch, weil es in der AfD immer noch viele treue und liebenswerte Mitglieder gibt, an deren politischen Auffassungen nichts zu kritisieren ist und die sich unermüdlich für die ursprünglichen Ziele der AfD aufgerieben haben. Ich kann diese Mitglieder nur um Verzeihung bitten! Ich habe sicherlich Fehler gemacht und zu den größten gehört zweifellos, dass ich zu spät erkannt habe, in welchem Umfang Mitglieder in die Partei drängten, die die AfD zu einer Protest- und Wutbürgerpartei umgestalten wollen.

In Essen ist in erschreckender Weise zutage getreten, wie sehr letztere inzwischen in der Mehrheit sind. Sie werden von den wichtigsten Verantwortungsträgern der Partei nicht etwa gebremst, sondern sogar noch aufgeputscht. Damit ist das Ringen um die Zukunft der AfD aussichtslos geworden. Ich danke allen, die ein Stück des Weges mit mir gegangen sind und für die wahren Ziele der AfD gekämpft haben. Jetzt aber ist die Partei unwiederbringlich in die falschen Hände gefallen. Bewährte und vernünftige Mitglieder verlassen in vierstelliger Größenordnung die Partei. Ich schließe mich ihnen an.

Viele Mitglieder rufen auch nach einem Neuanfang und organisieren sich unter www.neustart2015.de. Ob es wirklich zu einer Neugründung im Sinne einer Wiedererrichtung der AfD der Gründungszeit kommt, steht aber noch dahin."

AFP · DPA
mmma