Nach massiver Kritik von Wirtschaftsverbänden verzögert sich die von der Bundesregierung angestrebte Einführung einer persönlicher Haftung für Führungskräfte. Das Gesetz zur Managerhaftung, das Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern für vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschinformationen der Aktionäre härter bestrafen soll, wurde laut Finanzministerium auf unbekannte Zeit verschoben.
Das politische Ziel, weitere Börsenskandale mit Totalverlusten für Kleinaktionäre zu verhindern, bleibe aber bestehen. Zur Zeit gibt es vor deutschen Gerichten keine Möglichkeit, das Privateigentum von Managern zur Wiedergutmachung heranzuziehen. Momentan kann nur der Arbeitgeber des Managers verklagt werden.
Die Verschiebung begründete das Ministerium mit der Prüfung von Kritik aus der Wirtschaft. "Wir werden die Kritik aus der Anhörung zu dem Gesetzentwurf gründlich auswerten", hieß es in der Behörde. Es gebe Punkte, über die "vertieft nachgedacht" werden müsse. Außerdem soll abgewartet werden, wie auf EU-Ebene zu der Managerhaftung entschieden wird. Seit Oktober liegt in Brüssel ein neuer Vorschlag auf dem Tisch. Der Entwurf zum Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz sollte ursprünglich bereits nächste Woche im Kabinett verabschiedet werden und im nächsten Jahr in Kraft treten.
Anleger sollen entschädigt werden
Bislang war vorgesehen, Mitglieder der Unternehmensleitung mit bis zu vier Jahresgehältern haften zu lassen, wenn sie durch falsche Angaben zur Lage ihrer Firma Anleger um ihr Geld geprellt haben. Auch das Zurückhalten von Informationen, die den Börsenkurs beeinflussen können, sollen zu einer Haftung führen. Das Gesetz zur Managerhaftung soll auch externe Berater mit einbeziehen - sie sollen künftig mit bis zu vier Millionen Euro haften. Zukünftig können nicht nur offizielle Unternehmensangaben, sondern auch mündliche Äußerungen und Medien-Interviews vor Gericht berücksichtigt werden.
Aktionärsschützer reagierten empört auf die Verschiebung. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) warf der Regierung vor, gegenüber den mächtigen Wirtschaftsverbänden eingeknickt zu sein. Der Verband hatte die Pläne des Finanzministeriums begrüßt, das Gesetz sollte das Vertrauen der Anleger wieder herstellen. Der Hauptgeschäftsführer des DSW, Ulrich Hocker, hatte gefordert, den Anlegerschutz durch höhere Anforderungen an Manager zu stärken. Die Exzesse des Neuen Marktes seien bei den Aktionären noch lange nicht vergessen.
Wirtschaftsverbände protestierten
Wirtschaftsverbände und Vorstände hatten sich im Vorfeld deutlich gegen eine persönliche Haftung für Manager ausgesprochen. Besonders Banken lehnten die Absichten des Finanzministeriums ab. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bezeichneten das Vorhaben als eine weitere Schwächung des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Dessen Präsident Michael Rogowski sagte gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", dass eine strengere Regulierung weder den Finanzplatz Deutschland noch die Risikobereitschaft der Unternehmen fördern werde. "Es besteht die Gefahr, dass zukünftig Äußerungen von Vorstand und Aufsichtsrat nur noch nach vorherige Prüfung duch die jeweils zuständigen Juristen gemacht werden können", schrieb der BDI in einer Stellungnahme.

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Der scheidende Siemens-Chef Heinrich von Pierer hatte in Interviews den Entwurf als "völlig überzogen" bezeichnet. Das Gesetz unterstelle, dass Manager lügen, kritisierte von Pierer. Er nannte die Pläne als "großartige Ablenkungsmanöver vor den wirklichen Problemen des Landes". Er wurde von weiteren prominenten Vorstandsmitgliedern der großen deutschen Unternehmern unterstützt. Die Mitglieder der Chefetage befürchten eine Überregulierung.