Der Moderator und Rechtsanwalt Michel Friedman (CDU) hadert mit seiner Partei. Dass sich 17 Unionspolitiker nach der hessischen Landtagswahl in einem offenen Brief von Roland Kochs ausländerfeindlicher Kampagne distanzierten, hält Friedman für Heuchelei. "Die müssen sich doch fragen, wo waren die vor der Wahl", sagte Friedman im "Café Einstein", dem Video-Interview von stern.de. "Präsidiumsmitglieder wie Pflüger oder der Regierende Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust - sie alle waren, als Roland Koch seinen Wahlkampf beschlossen und durchgeführt hat, in den Gremien dabei. Ich habe nichts gehört. Jetzt, nachdem die Wahl verloren gegangen ist, sich davon zu distanzieren, ist nicht besonders mutig."
Friedman interpretiert den Brief auch als einen Ausdruck für die Spaltung der CDU in der Migrantenfrage. Einerseits gebe es einen liberalen Flügel, der die Integrationspolitik vorantreibe, zum Beispiel mit Hilfe der unter Innenminister Wolfgang Schäuble eingerichteten Islamkonferenz. Andererseits gebe es Politiker wie Roland Koch und Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm, "die das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen." Die CDU wolle auf "zwei Hochzeiten tanzen". Dass die Parteivorsitzende Angela Merkel nicht rechtzeitig eingeschritten sei, müsse sie nun büßen.
Koch soll "in sich gehen"
Zur Zukunft von Roland Koch äußerte sich Friedman skeptisch. Auch wenn die CDU unter Kochs Führung stärkste Fraktion in Wiesbaden geblieben sei, habe Koch die "politisch-moralische Legitimation" für das Amt des Ministerpräsidenten verwirkt. "Ob dann das passiert, was auch bei Gerhard Schröder schon passiert ist, nämlich dass gescheiterte Ministerpräsidenten in Hessen - ich erinnere an Hans Eichel - in Berlin versorgt werden, das ist eine ganz andere Frage", sagte Friedman zu stern.de. "Ich würde mir wünschen, dass Roland Koch ein bisschen in sich gehen kann und nachdenkt ob man denn wirklich versucht, auf Kosten von Minderheiten Politik zu machen."
Friedman, der in Frankfurt lebt, war jahrelang Mitglied der hessischen CDU. 1999 wechselte er zum saarländischen Landesverband, weil er Kochs damalige Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ablehnte. Zwischen 2000 und 2003 war Friedman stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden, wegen einer Affäre um Kokainmissbrauch und Prostituierte trat er von allen öffentlichen Ämtern zurück. Nach einer kurzen beruflichen Pause begann er wieder publizistisch tätig zu werden und moderiert seitdem eine Talkshow auf dem Nachrichtensender N24. Zuletzt machte 51-jährige Schlagzeilen, weil er den NPD-Vordenker Horst Mahler ausführlich interviewte, um dessen Rechtsradikalismus bloßzustellen.