Missglücktes "Taz"-Interview mit Rösler Wer ist hier rassistisch?

  • von Timo Brücken
Die "Taz" hat ein Interview mit Philipp Rösler gedruckt, das der FDP-Chef eigentlich zurückgezogen hatte. Seine Partei spricht von einem Regelbruch, andere werfen der Zeitung Rassismus vor.

Sie haben es wirklich getan: Wie angedroht hat die "Taz" am Dienstag ein Interview mit Philipp Rösler abgedruckt, das dieser eigentlich zurückgezogen hatte. Das Thema des Gesprächs: Röslers vietnamesische Herkunft und die Frage, wie die Deutschen darauf reagieren. Auf Seite 5 des Wahlextras stehen nun allein die Fragen, nicht aber die Antworten Röslers. Was als aufklärerischer Akt gegen die gängige Praxis, Politikerinterviews autorisieren zu lassen, geplant war, ging allerdings gehörig nach hinten los.

Statt Jubel gibt es Vorwürfe: Die Amadeu Antonio Stiftung spricht auf Facebook von "Alltagsrassismus". SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann twittert: "Mit 17 Fragen Rösler auf seine Herkunft reduziert. Unmöglich!" Und im Hausblog der "Taz" wundert sich ein User unter anderem: "Was sind denn das für Fragen? Eine rassistischer als die andere."

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Was bedeutet "autorisieren"?

Es ist in Deutschland üblich, dass Interviews mit Print- und Onlinemedien "autorisiert" werden. Das bedeutet: Der Interviewte bekommt das Interview vor Veröffentlichung zugesandt und hat dann nochmal Gelegenheit, seine Aussagen zu verändern - oder sie ganz zurückzuziehen. Diese Praxis ist umstritten, in Amerika beispielsweise gilt allein das gesprochene Wort - nach der Devise: gesagt ist gesagt.

Kein Rassismus, sagt die "Taz"

Denn die beiden Interviewerinnen gehen besonders auf Röslers "nichtdeutsche Wurzeln" und sein "asiatisches Äußeres" ein. Fragen etwa, ob es ihn kränke, dass ihn viele Niedersachsen nur "der Chinese" nennen oder sein Parteifreund Rainer Brüderle von asiatischem Bambus und deutscher Eiche fabuliert.

"Wir schüren keine rassistischen Ressentiments, wir fragen nur danach", wehrt sich "Taz"-Chefredakteurin Ines Pohl im Gespräch mit stern.de. "Das ist ganz normales journalistisches Handwerk." Für das Gespräch mit Rösler habe man das Thema "Hass" gewählt, "weil er selbst aus den eigenen Reihen mit rassistischen Einlassungen konfrontiert worden ist". Etwa von Brüderle oder vom hessischen FDP-Chef Jörg Uwe Hahn. Bewusst sollte das Interview sehr persönlich sein und keine "Abwurfstelle für die üblichen politischen Plattitüden", sagt Pohl. Das Zurückziehen der Antworten bezeichnete sie schon vorher als "groben Bruch der gängigen Spielregeln".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Alles ganz anders, sagt die FDP

Die FDP sieht das freilich alles etwas anders. Das Gespräch sei nicht unter dem Stichwort "Hass" angefragt worden, sagt Parteisprecher Peter Blechschmidt. Vereinbart habe man vielmehr "Stil und Anstand im Wahlkampf". Zwei Begriffe, die man durchaus als synonym betrachten könnte, was die "Taz"-Journalistinnen wohl auch taten. Blechschmidt behauptet außerdem, der Fokus auf die Herkunft und damit verbundene Anfeindungen im gedruckten Interview entspreche nicht dem tatsächlichen Gesprächsverlauf. Rassismus sei zudem ein Aspekt "der im Leben Philipp Röslers keine wahrnehmbare Rolle spielt". Nicht die FDP, die "Taz" sei es, die die "gängigen Spielregeln" breche.

Ines Pohl wundert sich indes, dass der thematische Schwerpunkt im Gespräch selbst anscheinend kein Problem gewesen sei. Rösler sei über 20 Minuten lang geduldig auf alle Fragen zu Herkunft und Rassismus eingegangen. "Und er hat nie gesagt: Jetzt reicht es, fragt auch mal was anderes!"

Immerhin: Die Chefredakteurin machte beim Autorisieren ihrer eigenen Zitate, die sie stern.de lieferte, keinen Rückzieher.