Münchner Sicherheitskonferenz Kalter Wind in Diplomaten-Gesichter

Die Beobachter sprechen schon vom Beginn eines "neuen kalten Krieges". Ziemlich brüsk und reichlich undiplomatisch hat Russlands Präsident Wladimir Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz sein Bild von der Weltlage geschildert. Worte, die so deutlich nur wenige hören wollten.

Die Stimmung ist schon mal lustiger gewesen unter den russischen Journalisten. "Wir arbeiten hier unter sehr harten Bedingungen!", klagt ein Fernsehkorrespondent, der aus Moskau zur Münchner Sicherheitskonferenz angereist ist. In der Pause lauert er an der Konferenztür und versucht im Nahkampf, der vorbeieilenden Polit-Prominenz sein Mikro vor den Kopf zu halten.

Die Flasche Cola für vier Euro

Journalisten und Politiker führen getrennte Leben während solcher Veranstaltungen, alles Routine für den russischen Fernsehrmann. Viel schlimmer für ihn: Kein Essen, kein Kaffee und ein Fläschchen Cola kostet im feinen "Bayerischen Hof" vier Euro. Langweilige Reden, lästert er, viel Diplomatie. Nichts, was die Stimmung bessert. Nichts, wäre da nicht Präsident Wladimir Putin, dessen Rede den Diplomaten ins Gesicht bläst wie ein kalter und frischer Wind.

Schon seine Anreise sorgte für Aufsehen. In langer Mercedes-Limousine fuhr Putin vor dem "Bayerischen Hof" vor, begleitet von einem Dutzend Sicherheitsleuten mit Waffen im Anschlag. Im "Kaisersaal" kam er gleich zur Sache, keine Sätze, die sich in höflichen Allgemeinheiten erschöpften. "Diese Konferenz gibt mir die Möglichkeit, ihnen zu sagen, was ich wirklich über die Sicherheit auf der Welt denke", begann der Präsident seine Rede am Morgen. Das sei ja das Gute an einer Konferenz: Man brauche nicht in angenehmen, aber leeren Phrasen zu reden. Er hoffe, dass der Vorsitzende der Konferenz, Horst Teltschik, ihm nicht gleich das rote Licht einschalte und das Mikro abdrehe.

Bestreben nach monopolarer Weltordnung

Es gebe das Bestreben einer monopolaren Weltordnung, so Putin. Die Welt könne aber nicht nur ein Zentrum und einen Herrscher haben. Die USA überschreite ihre Grenze und dränge ihre Normen in der Wirtschaft, der Politik und auf humanitärem Gebiete anderen Staaten auf, sagte Putin. Russland werde ständig belehrt, wie Demokratie auszusehen habe. Aber die vermeintlichen Lehrer befolgten die Gesetze der Demokratie selbst nicht. "Ich möchte das unterstreichen", sagte Putin. "Niemand fühlt sich in Sicherheit!" Viele Staaten lehnten zwar die Todesstrafe ab, seien aber bereit, an militärischen Operationen teilzunehmen, die man nicht legal nennen könne. Das internationale Recht zähle nicht mehr. Das Wettrüsten werde beschleunigt. Es gebe immer mehr bewaffnete Konflikte und mehr Tote.

Putin kritisierte die Nato-Osterweiterung. Mobile Nato-Basen seien in Bulgarien und Rumänien entstanden, entgegen der Vereinbarungen mit Russland. Die Bedrohung heute gehe von Terroristen aus. Dennoch schiebe die Nato militärische Infrastruktur an die russische Grenze. Das richte sich angeblich nicht gegen Russland. "Wir haben Waffen, die dieses System überwinden können", rief Putin. "Und die sind auch nicht gegen die USA gerichtet und nicht gegen die Nato!" Während des Kalten Krieges habe es eine Balance der Kräfte gegeben. "Das System war zerbrechlich, ein bisschen schrecklich, aber verlässlicher als die Welt heute!"

Fragen nach Menschenrechten, Tschetschenien und mangelnder Demokratie wischte Putin routiniert vom Tisch. Er kritisierte die OSZE und Menschenrechtsorganisationen, die sich im Auftrag einzelner Regierungen in die Angelegenheiten fremder Staaten einmischten. "Russland hat eine mehr als tausendjährige Geschichte", sagte der russische Präsident. "Und wir haben die Tradition einer unabhängigen Außenpolitik." Manche Gesichter im Saal wirkten wir versteinert nach der Sturmrede des Russen.

Die folgenden Beschwörungen der "wichtigen Partnerschaft zu Russland" wirkten ein wenig hilflos. Sehr anregend sei das gewesen, sagte Horst Teltschik. Die russischen Bedenken zur Nato-Erweiterung und dem Anti-Raketensystem müssten ausgeräumt werden, empfahl Verteidigungsminister Franz Josef Jung. Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, lobte immerhin die Offenheit des Präsidenten. "Ich kann die Enttäuschung über Putins Rede nicht verbergen", erklärte Jaap de Hoop Scheffer, Generalsekretär der Nato. Wenn die Nato an die Grenze zu Russland vorrücke, bedrohe das trotzdem nicht Russland.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Dies ist nur eine Konferenz"

"Vielleicht werden sich später Historiker an die 43. Sicherheitskonferenz erinnern als den Beginn des neuen Kalten Krieges", fürchtete Josef Joffe, Herausgeber der "Zeit". Vielleicht ist aber auch alles ganz anders. Wie sagte Putin? "Dies ist nur eine Konferenz".