Die Nahost-Historikerin Ulrike Freitag findet es richtig, Musliminnen in deutschen Schulen das Tragen eines Gesichtsschleiers zu verbieten. "In Schulen, Ämtern und vor Gericht hat er nichts verloren", sagte die Direktorin des Zentrums Moderner Orient (ZMO) in Berlin. Wenn eine Schülerin den Nikab vor männlichen Mitschülern und Lehrern nicht ablegen wolle, bleibe ihr immer noch die Möglichkeit, auf eine Mädchenschule zu wechseln.
Hintergrund der Debatte: Am Montag hatte das Verwaltungsgericht Osnabrück ein Nikab-Verbot für eine 18 Jahre alte muslimische Schülerin an einer Abendschule bestätigt.
Wer sich ein Leben ohne Burka oder Nikab nicht vorstellen könne, sollte nach Ansicht der Historikerin darüber nachdenken, sich vielleicht einen anderen Wohnort zu suchen. "Wenn man sich so stark abgrenzen muss, dann kann man sich in der Tat überlegen, ob man nicht irgendwo hingehen soll, wo das kulturell üblich ist", sagte Freitag. Bei ihren Forschungsaufenthalten im Jemen und in Saudi-Arabien habe sie persönlich die Erfahrung gemacht, dass es in der Kommunikation einen großen Unterschied mache, ob das Gegenüber sein Gesicht hinter einem Schleier verbirgt oder nicht.
Nicht mit Kopftuchdebatte verwechseln
Freitag riet, die Frage des Umgangs mit der Vollverschleierung nicht mit der Kopftuchdebatte zu vermischen. Wenn Lehrerinnen oder Kindergärtnerinnen in Deutschland das Kopftuch tragen wollten, dann sollte man das "entspannt sehen".
Sie betonte, die Vollverschleierung sei keineswegs eine Tradition, die sich über die Jahrhunderte überall kontinuierlich gehalten habe. "Da ist eher eine Wellenbewegung zu beobachten - da gab es immer wieder Phasen, da war das völlig aus der Mode".
Gewerkschaft warnt vor Verbot der Vollverschleierung
Dass der Nikab in der arabischen Welt heute viel stärker verbreitet ist als noch vor 50 Jahren, führt die Wissenschaftlerin unter anderem auf das "allgemeine kulturelle Vorbild der Golfstaaten" zurück. Länder wie Saudi-Arabien hätten aufgrund ihres Wohlstandes zuletzt enorm an Einfluss gewonnen. Auch seien viele Araber aus Staaten wie Ägypten oder Syrien zum Arbeiten an den Golf gegangen, und hätten diese "Mode" später von dort mit nach Hause genommen. In einigen Staaten hätten islamische Stiftungen aus den Golfstaaten zudem relativ erfolgreich ihre Interpretation des Islam unter die Menschen gebracht.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte dagegen davor, vollverschleierten Mädchen und Frauen den Zugang zum Schulunterricht zu erschweren. "Ein Verbot der Vollverschleierung ist der vollkommen falsche Weg. Wir dürfen Frauen nicht nur deswegen von Bildung ausschließen, weil sie Burka oder Nikab tragen", sagte Ilka Hoffmann vom GEW-Hauptvorstand der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Schule sei für vollverschleierte Mädchen aus strengkonservativen islamischen Haushalten oft die einzige Möglichkeit, Kontakt zu Gleichaltrigen aufzunehmen.