Kritik an Israel Nan Goldin vergleicht Gazakrieg mit Pogromen gegen Juden

Nan Goldin steht am Redepult in der Neuen Nationalgalerie in Berlin, mehrere Leute halten Handys hoch und filmen sie
Statt ihre Ausstellung zu eröffnen, hält Nan Goldin eine Brandrede gegen Israels Kriegsführung
© Matthias Reichelt / Imago Images
Fotografin Nan Goldin nutzt ihre Vernissage in Berlin, um Israels Zerstörungen in Gaza anzuprangern. Lautstarke Aktivisten brüllen Gegenreden nieder und Claudia Roth ist empört.

Die renommierte Fotokünstlerin Nan Goldin hat ihre Ausstellungseröffnung in der Neuen Nationalgalerie in Berlin genutzt, um Israel scharf zu kritisieren. Dabei hat ihre Ausstellung mit dem Thema nichts zu tun. Weil lautstarke Aktivisten ihr zustimmen und im Anschluss eine Gegenrede des Direktors der Nationalgalerie, Klaus Biesenbach, zeitweise niederbrüllen, kam es zum Eklat. 

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) nannten Goldins Äußerungen unerträglich einseitig. Und empörten sich über den lautstarken Protest der propalästinensische Aktivisten. Wofür Nan Goldin freilich nichts konnte.

Die 71-jährige US-Amerikanerin Nan Goldin zählt zu den renommiertesten Künstlerinnen der zeitgenössischen Fotografie. Die Neue Nationalgalerie widmet ihr aktuell eine Retrospektive. Goldins Ausstellung selbst hat mit dem Nahost-Konflikt nichts zu tun.

Nan Goldin:  "Ich habe beschlossen, diese Ausstellung als Plattform zu nutzen"

Goldin begann ihre knapp 14-minütige Rede mit einer vierminütigen Schweigepause, um an die Todesopfer in den palästinensischen Gebieten, im Libanon und auch in Israel zu erinnern. In der Rede sagte sie: "Ich habe beschlossen, diese Ausstellung als Plattform zu nutzen, um meiner moralischen Empörung über den Völkermord in Gaza und im Libanon Ausdruck zu verleihen."

Deutschland sei die Heimat der größten palästinensischen Diaspora Europas. "Dennoch werden Proteste mit Polizeihunden bekämpft", sagte sie.

Goldins Großeltern entkamen antijüdischen Pogromen

"Haben Sie Angst, das zu hören, Deutschland? Dies ist ein Krieg gegen Kinder", sagte Goldin. Sie stammt selbst aus einer jüdischen Familie. "Meine Großeltern entkamen den Pogromen in Russland. Ich bin mit dem Wissen über den Nazi-Holocaust aufgewachsen. Was ich in Gaza sehe, erinnert mich an die Pogrome, denen meine Großeltern entkommen sind."

Außerdem sagte Goldin: "Die gesamte Infrastruktur Palästinas ist zerstört worden. Die Krankenhäuser, die Schulen, die Universitäten, die Bibliotheken. Es ist auch ein kultureller Völkermord. Warum kannst du das nicht sehen, Deutschland?"

Nationalgalerie-Direktor hält Gegenrede

Goldins Rede wurde von Teilen des Publikums bejubelt. Museumsdirektor Biesenbach wollte entgegnen, war aber wegen der skandierenden Aktivisten kaum zu hören. Diese forderten in Sprechchören unter anderem die "Freiheit Palästinas". Als sich die Lage beruhigt hatte, las Biesenbach die Rede noch einmal vor.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Unsere Arbeit stützt sich auf grundlegende Werte, die nicht zu negieren sind", sagte er. "Das Existenzrecht Israels steht für uns außer Frage. Der Angriff der Hamas auf den jüdischen Staat am 7. Oktober 2023 war ein grausamer Terrorakt, der durch nichts zu rechtfertigen ist." Er ergänzte: "Gleichzeitig fühlen wir mit der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und im Libanon mit, deren Leid nicht übersehen werden darf."

Claudia Roth beklagt Goldins "unerträglich einseitige Ansichten"

Kulturstaatsministerin Roth erklärte: "Ich bin entsetzt, wie der Direktor der Neuen Nationalgalerie niedergebrüllt wurde." Das sei absolut inakzeptabel. Goldins künstlerische Arbeit sei verdienstvoll. Doch "die unerträglich einseitigen Ansichten der politischen Aktivistin auch zu Israel" lehne sie ab, betonte die Grünen-Politikerin.

Berlins Kultursenator Chialo meinte ebenfalls: "Ich teile die Position von Nan Goldin nicht und empfinde ihre Statements als kaum hinnehmbar. In unserer Stadt Berlin, in der der Holocaust geplant wurde, und die nun für Freiheit steht, ist eine derart geschichtsvergessene Einseitigkeit inakzeptabel." Das aggressive Publikum habe mangelnde Bereitschaft zum friedlichen Dialog gezeigt. "Vor diesen radikalen Äußerungen werden wir nicht weichen", erklärte Chialo.

Vorher-Nachher-Bilder zeigen Ausmaß der Zerstörung in Gaza
Vorher-Nachher-Bilder zeigen Ausmaß der Zerstörung in Gaza
© APTN/ n-tv.de
Vorher-Nachher-Bilder zeigen Ausmaß der Zerstörung in Gaza

"Das ist nicht unser Verständnis von Meinungsfreiheit"

Goldins große Retrospektive mit dem Titel "This Will Not End Well" ist noch bis zum 6. April 2025 in der Neuen Nationalgalerie in Berlin zu sehen. Die Ausstellung zeigt Goldins Lebenswerk mit Diashows und Filmen, unterlegt mit Musikstücken und Tonspuren. Für Sonntag ist ein begleitendes Symposium geplant. Roth betonte, Boykottaufrufe gegen diese Veranstaltung lehne sie ab. Sie hoffe auf eine offene und zivilisierte Debatte.

DPA
urb