Spätestens seit Donnerstag kann der geneigte Wähler im Internet nachsehen, ob ein Abgeordneter, der als Anwalt arbeitet, Mandate hat. Er kann aber nicht sehen, wer die Mandanten sind, in wessen Auftrag der Parlamentarier also handelt. Dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach reicht das nicht. Er fordert, dass Anwälte im Bundestag die Namen ihrer Mandanten veröffentlichen müssen. Dies müsse in den Ausführungsbestimmungen des Gesetzes zur Veröffentlichung von Nebeneinkünften festgelegt werden, sagte Lauterbach stern.de. Dafür werde er sich einsetzen. "In der Ausführungsfrage wird sich die Spreu vom Weizen trennen", sagte er. Ansonsten könne man nicht erkennen, ob sich ein Abgeordneter in einem Interessenkonflikt befinde. Kritik an dieser Forderung übte der Grünen-Parlamentarier und Anwalt Hans-Christian Ströbele. "Das wäre ein Bruch des Anwaltsgeheimnisses", sagte Ströbele stern.de.
Zur Änderung der Ausführungsbestimmungen des Gesetzes, die Teil der Geschäftsordnung des Parlaments sind, ist eine einfache Mehrheit der Abgeordneten notwendig.
Scholz will Gesetz nicht ändern
Lauterbachs Forderung ist nicht neu. Sie wurde schon zur Zeit der rot-grünen Regierung verworfen, aus der das Gesetz stammt. Auch ist Lauterbachs Forderung nur Teil jener Kritik, die an der Umsetzung des Gesetzes geübt wird. Andere Kritiker fordern genauere Angaben über die Höhe jener Einkünfte, die Parlamentarier neben ihren Diäten erzielen. Ärger gab es auch wegen der vermeintlichen Komplexität der Ausführungsregeln. Olaf Scholz, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, erteilte Wünschen nach einer Änderung des Gesetzes jedoch eine Absage. Lediglich zu praktischen Korrekturen an der Umsetzung sei die SPD bereit, schrieb Scholz am Freitag in einem Brief an die Abgeordneten. Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch seine Entscheidung verkündet, eine Klage von Abgeordneten abzulehnen, die sich gegen die Teil-Veröffentlichung ihrer Nebeneinkünfte zur Wehr gesetzt hatten. Am Donnerstag veröffentlichte die Bundestagsverwaltung die Angaben der einzelnen Parlamentarier auf der Internetseite des Parlaments.
"Abgeordnete dürfen nicht auf Gedeih und Verderb vom Mandat abhängen"
Auch Lauterbachs eigene Einkünfte waren am Donnerstag und Freitag zunächst hinterfragt worden. Der Professor gilt als einer der leidenschaftlichsten Anwälte der gesetzlichen Krankenkassen, als einer, der die privaten Versicherer im Streit um die Gesundheitsreform unbedingt zur Kasse bitten wollte. Gleichzeitig aber hat Lauterbach an den gesetzlichen Kassen gut verdient: So erhielt er etwa im März 2006 über 7000 Euro von der AOK Bayern für "wissenschaftliche Beratung und Gutachten", im gleichen Monat zahlte ihm die Barmer Ersatzkasse ebenfalls über 7000 Euro für die gleichen Dienste. Auf Anfrage von stern.de sagte Lauterbach jedoch, dass ihm die Aufträge für diese Gutachten vor seinem Eintritt in den Bundestag im Jahr 2005 erteilt worden seien. Lediglich die Dienstleitung und die Bezahlung sei später erfolgt. Seit er im Bundestag sitze, habe er keine vergleichbaren Aufträge mehr angenommen. "Ich könnte das heute noch machen, würde es aber nicht tun, weil ich dann an Glaubwürdigkeit verlieren würde", sagte Lauterbach. Die Möglichkeit, neben dem Mandat zu arbeiten, verteidigt der SPD-Mann jedoch. "Abgeordnete dürfen nicht auf Gedeih und Verderb finanziell von ihrem Mandat abhängen", argumentierte er.
Das Beispiel Friedrich Merz
Das Beispiel der Rechtsanwälte zeigt, wie schwierig es in der Gesetzes-Praxis ist, tatsächlich etwas über mögliche Interessenkonflikte der Abgeordneten herauszufinden. So geben einige Abgeordnete zwar an, wann sie ein Honorar erhalten haben, aber der Betrag ist nur pauschalisiert in drei Stufen erfasst (1000-3500 Euro, bis 7000 Euro, über 7000 Euro). Die Mandanten werden namentlich nicht angegeben. Ein zusätzlicher Sonderfall tritt bei Anwälten auf, die an Kanzleien beteiligt sind. So gibt der CDU-Finanzexperte Friedrich Merz zwar an, welche Einkommensstufe er für seine Tätigkeit in verschiedenen Aufsichtsräten jeweils erreicht. Und alle, die Merzens Reichtum in seiner Gesamtheit interessiert, können dann feststellen, dass er mindestens eine Summe von 56.000 Euro pro Jahr zusätzlich zu seiner Diät erzielt. Aber über die eigentlich interessante Anwaltsarbeit des Sauerländers erfährt der Wähler nichts: Die Mandate, die Merz wahrnimmt, rechnet nämlich nicht er selbst ab, sondern die internationalen Sozietät, deren Teilhaber er ist. Weil aber Teilhaber nur Angaben über das Einkommen machen müssen, wenn sie mehr als 25 Prozent der Kanzlei besitzen, kann sich Merz genaue Angaben sparen. Über die Auftraggeber des Abgeordneten erfährt man auf diesem Wege nichts, man ist auf Freiwilligkeit angewiesen. Merz, der als einer der Kläger gegen das Gesetz aufgetreten war, hat sich bislang zu dem Urteil und seiner Umsetzung noch nicht geäußert.
Berufsverbot für Anwälte?
Forderungen nach einer weitergehenden Offenlegung von Daten halten Kritiker entgegen, dass damit datenschutzrechtliche Grundsätze verletzt würden. "Für Anwälte im Bundestag käme das doch einem Berufsverbot gleich, wenn sie die Namen ihrer Mandanten veröffentlichen müssten", sagte ein Kritiker im Bundestag. "Dann würde doch kein Mensch mehr zu diesem Anwalt gehen." Ströbele nennt das Beispiel eines Scheidungsfalls. "Manche Leute möchten nicht, dass es bekannt wird, wenn sie zum Scheidungsanwalt gehen", sagte er. "Das muss man respektieren."
Schon die Praxis, allein die Zahl der Mandate zu veröffentlichen, ist Anwaltsverbänden ein Dorn im Auge. Wenn Abgeordnete, die nebenher als Anwälte tätig sind, nur wenige Mandate wahrnähmen, lasse sich von dieser pauschalen Angabe möglicherweise auf ihre Mandanten schließen, sagte Rechtsanwaltskammer-Präsident Bernhard Dombek dem Berliner "Tagesspiegel".
Hans-Christian Ströbele übrigens hat für all die Probleme eine einfache Lösung gefunden: Während seiner Zeit im Parlament nimmt er überhaupt keine Mandate wahr. "Bei meinem Arbeitsaufwand im Parlament wäre das unverantwortlich gegenüber meinen Mandanten", sagte er.