Ein "atemloses Jahr" geht vorbei – so hat Bundeskanzlerin Angela Merkel das sich dem Ende zuneigende 2020 in ihrer traditionellen Neujahrsansprache bezeichnet. In der Rede stellte sie dabei erwartungsgemäß ein Thema in den Mittelpunkt: "Die Coronavirus-Pandemie war und ist eine politische, soziale, ökonomische Jahrhundertaufgabe. Sie ist eine historische Krise, die allen viel und manchen zu viel auferlegt hat."
Die Regierungschefin rief nach inzwischen weit mehr als 30.000 Toten in Deutschland dazu auf, am Jahresende auch innezuhalten und zu trauern. "Wir dürfen als Gesellschaft nicht vergessen, wie viele einen geliebten Menschen verloren haben, ohne ihm in den letzten Stunden nah sein zu können", sagte sie laut dem vorab verbreiteten Redemanuskript.
Angela Merkel ruft zum Durchhalten auf
Zugleich schwor Merkel die Bevölkerung auf weitere schwere Monate ein und rief zum Durchhalten auf. "Es wird noch eine ganze Zeit an uns allen liegen, wie wir durch diese Pandemie kommen. Der Winter ist und bleibt hart." Die Kanzlerin – in einem goldschimmernden Blazer – dankte den Menschen in Deutschland für ihren Zusammenhalt und die Mitarbeit bei der Bekämpfung des Sars-Cov-2-Erregers und verwies dabei unter anderem auf das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und die Einhaltung der geltenden Abstandsregeln durch die allermeisten Menschen. "Die neben dem Impfstoff wirksamsten Mittel haben wir selbst in der Hand, indem wir uns an die Regeln halten, jeder und jede von uns."
Merkel dankte zudem insbesondere jenen Menschen, die in der Pandemie über sich hinausgewachsen seien, zum Beispiel Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte, Mitarbeitende der Gesundheitsämter oder den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. "Unzählige" weitere hätten zudem dazu beigetragen, dass das Leben trotz Pandemie weiter möglich sei: in Supermärkten, Postfilialen, Bussen und Bahnen, auf Polizeiwachen oder in Schulen und Kitas.
Hart ins Gericht ging Merkel in ihrer Ansprache mit dem Verhalten von selbsternannten "Querdenkern" und Infektionsschutzgegnern in der Pandemie: "Ich kann nur ahnen, wie bitter es sich anfühlen muss für die, die wegen Corona um einen geliebten Menschen trauern oder mit den Nachwirkungen einer Erkrankung sehr zu kämpfen haben, wenn von einigen Unverbesserlichen das Virus bestritten und geleugnet wird. Verschwörungstheorien sind nicht nur unwahr und gefährlich, sie sind auch zynisch und grausam diesen Menschen gegenüber."
Coronavirus bestimmt Neujahrsansprache der Kanzlerin
Doch trotz aller schlechten Nachrichten des Jahres 2020 – ins kommende geht die Kanzlerin nach eigenem Bekunden mit Zuversicht, insbesondere in Hinblick auf die begonnenen Impfungen in Deutschland und vielen anderen Staaten. "Seit wenigen Tagen hat die Hoffnung Gesichter: Es sind die Gesichter der ersten Geimpften. Tagtäglich werden es mehr, schrittweise werden andere Alters- und Berufsgruppen dazukommen – und dann alle, die es möchten." Sie selbst werde sich auch impfen lassen, sobald sie an der Reihe ist, so Merkel.
Die Neujahrsansprache 2020/2021 ist die 16. von Angela Merkel und, wie sie sagte, "aller Voraussicht nach" ihre letzte. Zur kommenden Bundestagswahl tritt die Kanzlerin nicht mehr an. Es hängt vom Tempo der Regierungsbildung im Herbst ab, ob sie zum Jahreswechsel 2021/2022 noch im Amt sein wird.
"Ich denke, ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Nie in den letzten 15 Jahren haben wir alle das alte Jahr als so schwer empfunden – und nie haben wir trotz aller Sorgen und mancher Skepsis mit so viel Hoffnung dem neuen Jahr entgegengesehen", sagte Merkel und wünschte sich für die Zukunft, dass Deutschland "mit all seiner Kraft und seiner Kreativität mutige Ideen für die Zukunft" entwickle – auch in Hinblick auf den Klimaschutz. Noch so eine Jahrhundertaufgabe.

Die vorab aufgezeichnete Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin wird am Silvesterabend von zahlreichen Fernseh- und Radiosendern ausgestrahlt, unter anderem im Ersten um 20.10 Uhr, im ZDF um 19.15 Uhr und im Deutschlandfunk um 19.05 Uhr.
Quellen: Nachrichtenagenturen DPA und AFP