Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti verzichtet auf eine Spitzenkandidatur bei der Neuwahl des Landtags im Januar. Dem Parteirat der Hessen-SPD schlug sie vor, dass stattdessen der Gießener Landtagsabgeordnete Thorsten Schäfer-Gümbel die Partei in die Wahl führen soll. Das bestätigten nach Angaben der Nachrichtenagentur DPA mehrere Teilnehmer der Parteirats-Sitzung. Der ursprünglich für diese Position vorgesehene nordhessische SPD-Vorsitzende Manfred Schaub hat es nach einer Meldung des Hessischen Rundfunks abgelehnt, als Spitzenkandidat anzutreten.
Schäfer-Gümbel wird zum linken Parteiflügel und den Vertrauten Ypsilantis in der SPD gerechnet. Der Politikwissenschaftler gehört dem Landtag seit 2003 an und ist Sprecher der SPD-Fraktion für Industrie- und Beschäftigungspolitik sowie für Forschung und Technologie. Als Vertreter Mittelhessens ist er auch stellvertretender Bezirksvorsitzender der SPD Hessen-Süd. Ypsilanti wollte sich beim Eintreffen zu der Sitzung in Frankfurt vor Journalisten nicht zu ihren Plänen äußern. Von den etwa 80 Parteiratsmitgliedern wurde sie mit Beifall begrüßt. Der südhessische SPD-Vorsitzende Gernot Grumbach sagte aber: "Die Lösung bahnt sich an." Er betonte, Ypsilanti entscheide selbst über ein neuerliches Antreten als Spitzenkandidatin. Sie sei eine "kluge, strategisch denkende Frau", fügte Grumbach hinzu.
Müntefering rät zu Selbstkritik
Ypsilanti war bei ihrem Versuch, sich auch mit Hilfe der Linkspartei zur Ministerpräsidentin einer rot-grünen Koalition wählen zu lassen, am Montag an vier Abweichlern der SPD-Landtagsfraktion gescheitert. Alle im Landtag vertretenen Parteien haben sich inzwischen für eine Neuwahl ausgesprochen, weil keine regierungsfähige Mehrheit in Sicht ist. Als Termin hat der CDU- Landesvorsitzende und geschäftsführende Ministerpräsident Roland Koch den 18. Januar vorgeschlagen. Auch Grüne und FDP beraten am Samstag in Frankfurt auch über die Neuwahl.
Am Freitag hatte die SPD noch Meldungen dementiert, die hessische Parteichefin habe bereits auf die Spitzenkandidatur verzichtet und wolle stattdessen Schaub vorschlagen. Danach will Ypsilanti aber SPD-Landesvorsitzende in Hessen bleiben. Parteichef Franz Müntefering forderte die hessische SPD derweil zu Selbstkritik und Ehrlichkeit im Hinblick auf den Umgang mit der Linkspartei auf. "Das ist mein Rat", sagte der SPD-Bundesvorsitzende dem "Spiegel".
Koch gesteht Fehler ein
Müntefering fuhr fort: "Jeder macht mal einen Fehler. Da ist es vernünftig zu sagen: Jawohl, es war falsch, erst zu versprechen, wir arbeiten nicht mit denen zusammen, und es dann doch zu tun." Eine Koalition auch mit der Linken nach der Neuwahl schloss der SPD-Vorsitzende nicht aus. "Davon gehe ich aus, dass die Hessen-SPD den Wählern sagt: Leute, für das, was jetzt vor uns steht, schließen wir eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien nicht aus, mit der Linken auch nicht. Es wäre auch komisch, wenn man etwas anderes behaupten würde", sagte Müntefering. Die SPD sollte aber dazu sagen, dass eine derartige Koalition nicht ihr Ziel sei: "Wenn wir den Regierungswechsel anders hinkriegen können, sind wir froh."
Ministerpräsident Roland Koch (CDU) will im Landtagswahlkampf bei den Themen Jugendkriminalität und Studiengebühren Vorsicht walten lassen. Anfang des Jahres habe sich beim Thema Kriminalität junger Ausländer die "politische Botschaft verselbstständigt", sagte der CDU-Spitzenkandidat dem Nachrichtenmagazin "Focus". "Für den falschen Eindruck hafte ich persönlich. Ich habe gelernt. So etwas darf nicht wieder passieren." Koch ließ zugleich erkennen, dass er in Hessen nicht wieder Studiengebühren einführen will. "Wir haben aus dem schlechten Wahlergebnis gelernt. Warum sollten wir bei den Studiengebühren wieder mit demselben Kopf vor dieselbe Wand laufen?" Eine Mehrheit von SPD, Grünen und Linken im Landtag hatte die Studiengebühren nach der Landtagswahl im Januar abgeschafft. Koch bekräftigte, dass er bei der Neuwahl ein Bündnis mit der FDP anstrebe. Doch werde auch "die Debatte über Schnittmengen mit den Grünen" fortgesetzt.

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Merkel sichert Koch Unterstützung zu
CDU-Chefin Angela Merkel schätzt die Chancen ihrer Partei bei der vorgezogenen Wahl optimistisch ein. Die hessischen Bürger hätten verstanden, dass ihr Land "nicht in rot-grüne und noch rötere Hände" fallen dürfe, sagte die Bundeskanzlerin am Freitagabend beim Deutschlandtag der Jungen Union im baden-württembergischen Rust. Koch werde von der Partei "nach Kräften" unterstützt werden. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte der "Rheinischen Post" (Samstag): "Kochs Ausgangslage ist besser denn je." Die SPD habe ihre Glaubwürdigkeit vollständig verloren.