Wo ist Olaf Scholz? Da ist er ja! Wie es weitergeht, bleibt aber sein Geheimnis

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
"Natürlich habe ich auch mit dem russischen Präsidenten gesprochen": Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
© Clemens Bilan / Getty Images
Tagelang war der Kanzler auf Tauchstation. Nun ist er aus der verbalen Versenkung zurückgekehrt. Seine nächsten Züge behält Olaf Scholz weiter für sich. Das hat schon jetzt Folgen.

Da ist er ja! Olaf Scholz wurde schon vermisst. Überall Krise und Konflikt, aber kein Wort vom Kanzler. Stattdessen Wimmelbilder, auf denen der Gesuchte entdeckt werden wollte, Vermisstenanzeigen und ein neuer Fall für "Die drei ???". Wo ist Olaf Scholz? Eine Frage, die auf Twitter schon zum launig diskutierten Trend-Thema wurde.

Tagelang schien der Kanzler auf Tauchstation, öffentlich hörbare Aussagen zu Themen wie den Drohgebärden aus Russland waren von ihm nicht zu vernehmen. Am Mittwochabend kehrte Scholz im ZDF-"heute journal" aus der verbalen Versenkung zurück. Sein Verbleib ist damit geklärt. Aber wie lassen sich seine Aussagen verorten?

Scholz blieb in dem Gespräch vage, hielt sich bedeckt, wich klaren Aussagen aus. Diese Art der Kommunikation, nur das Nötigste zu sagen und im Allgemeinen zu bleiben, hat ihn weit gebracht. Aber kann man als Bundeskanzler, der seit 58 Tagen regiert, einfach so weitermachen? Schon jetzt hat sein weitestgehend geräuschloses Auftreten handfeste Folgen. 

Was sagt eigentlich Olaf Scholz?

Im Konflikt mit Russland wirkt Deutschland zögerlich. Die Kritik an Deutschlands Ukraine-Engagement wächst, Verbündete zweifeln schon an der Verlässlichkeit Berlins. Wo ist Olaf Scholz? Diese Frage stellen sich auch politische Beobachter: Ulrich Speck vom German Marshall Fonds, einer US-Stiftung zur Förderung der transatlantischen Beziehungen, wies auf die (Telefon-)Diplomatie hin, die Moskau und Kiew derzeit von Staatschefs aus allen Himmelsrichtungen erreicht – nur anscheinend nicht aus Deutschland.

"Natürlich habe ich auch mit dem russischen Präsidenten gesprochen", versicherte Scholz nun im ZDF-Interview und ließ Zeitpunkt und Inhalt des Gesprächs offen. Man bereite "natürlich sorgfältig all das vor, was jetzt notwendig ist." Dazu gehört offenbar auch "in Kürze" ein Besuch im Kreml. "Das ist geplant und wird auch bald stattfinden", sagte Scholz. Einen genauen Termin nannte er nicht.

Die Vermittlerrolle kommt in diesen Tagen anderen Ländern zu. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte am Freitag bei Putin angerufen, der britische Premierminister Boris Johnson wollte es am Mittwoch nachholen – das Gespräch war bereits für den Montag angesetzt –, der niederländische Premier Mark Rutte plant einen Besuch beim ukrainischen Staatschef in Kiew. Johnson war dort am Dienstag zu Gast. Nun soll auch die Türkei vermitteln, die gute Beziehungen zu beiden Ländern unterhält. Scholz ist bislang weder in Moskau noch in Kiew gewesen, auch in Washington ist er noch nicht vorstellig geworden. Sein erstes Treffen mit US-Präsident Biden soll am kommenden Montag stattfinden.

Den Vorwurf, Deutschland wirke unzuverlässig, wollte der Kanzler nicht stehen lassen. "Das geschieht nicht", sagte Scholz im ZDF. "Unsere Verbündeten wissen ganz genau, was sie an uns haben."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Dass daran Zweifel bestehen, liegt auch an der unklaren Haltung der SPD im Umgang mit Russland. Am Montag kamen führende Sozialdemokraten auf Einladung des SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil zusammen, um über den Kurs zu beraten. Denn wie es die SPD mit Russland hält, kommt darauf an, wem man in der SPD zuhört.

So hat etwa Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, "keinen Zweifel daran, dass die Aggression von Russland ausgeht". Für Ralf Stegner hingegen, dem früheren Parteivize, ist zu viel "Säbelrasseln" in der Debatte. Zuletzt hatte auch Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern, mit einem seltsamen Schweigen für Irritationen gesorgt.

Dennoch sieht Scholz die SPD an dieser Stelle "sehr einig", wie er im ZDF-Interview sagte. Die Partei stehe "hinter der Politik, die der Kanzler verfolgt." Und die sei "sehr klar übrigens schon seit sehr langer Zeit und immer wieder sehr präzise beschrieben." Gemeint: Der "hohe Preis", den Russland im Falle einer Invasion in die Ukraine zahlen müsse – und den Scholz erneut nicht näher bezifferte.

Dass Scholz nicht auf jede Wortmeldung seiner Genossen einsteigt, und damit aufwertet, ist verständlich. Allerdings lässt der Kanzler damit zu, dass viele Losungen zum Umgang mit Russland zirkulieren – während er in dieser Frage zunehmend abwesend wirkt. Dabei werde die deutsche Außenpolitik "inbesondere im Kanzleramt gesteuert", wie Fraktionschef Rolf Mützenich am Tag der Vereidigung klarstellte (und damit den ersten Zwist mit den grünen Koalitionspartnern vom Zaun brach).

Das reservierte Auftreten des Kanzlers erklärt vielleicht auch, warum dem umstrittensten Russlandversteher der SPD so viel Aufmerksamkeit zu Teil wird: Altkanzler Gerhard Schröder, der im Sold russischer Energiekonzerne steht, monierte ebenfalls ein "Säbelrasseln" – allerdings vonseiten der Ukraine.

Zwei Kanzler von der SPD, ein aktueller und ein ehemaliger, mit konträren Meinungen: Welches Signal schickt Deutschland damit in die Welt? "Wenn ich die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland richtig verstehe, gibt es nur einen Bundeskanzler und das bin ich", sagte Scholz. Das wirkt vielleicht angriffslustig, aber es bleibt vielmehr eine Tatsache als ein Rüffel.

Dass sich Scholz nicht unnötig verbal ausbreitet, hat einen Vorteil: Wer vage bleibt, kann auf nichts Konkretes festgenagelt werden. "Jeden Satz, den man als Politiker sagt, muss man so sagen, dass ihn jeder versteht, auch wenn er nicht dabei gewesen ist", erklärte Scholz einmal dem "Hamburger Abendblatt", warum er so antwortet, wie er antwortet. Scholz will die Kontrolle behalten, verhindern, dass sich Zitate von ihm verselbstständigen.

Der Nachteil: Mehr Klarheit schafft das nicht. "Ich habe keine Reisepläne", antwortete Scholz im ZDF auf die Frage, ob er zu den Olympischen Winterspielen in Peking reise. Auf die konkrete Nachfrage, ob er Olympia besuchen werde, führte er aus: "Ich habe keine Reisepläne, deshalb kann man nicht davon ausgehen, dass ich plötzlich da auftauche und sage: Hier bin ich."

Ein "Nein" ist das, streng genommen, nicht. In der Tat ist nicht davon auszugehen, dass Scholz einen Tag vor Eröffnung der Winterspiele noch nach China reist. Pedanten könnten sich am Freitag allerdings fragen: Wo ist Olaf Scholz?