Ost-West-Debatte Köhler-Äußerungen sorgen für Unmut

Bundespräsident Köhler hat mit seinem Einwand, gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West seien unrealistisch, eine Welle der Kritik heraufbeschworen. Besonders Politiker aus Ostdeutschland reagierten empört.

Bundespräsident Horst Köhler hat das Ziel gleicher Lebensverhältnisse in Deutschland in Frage gestellt und damit einen Sturm der Entrüstung entfacht. Besonders Politiker aus Ostdeutschland reagierten empört und forderten mit Verweis auf das Grundgesetz, dass am Ziel gleicher Lebensverhältnisse festgehalten werden müsse. Allerdings gab es auch Zustimmung für Köhler.

Köhler sagte am Wochenende in einem "Focus"-Interview, es gebe "überall in der Republik große Unterschiede". Das gelte von West nach Ost wie von Süd nach Nord. "Wer sie einebnen will, zementiert den Subventionsstaat und legt der jungen Generation eine untragbare Schuldenlast auf", sagte er. Deutschland müsse wegkommen vom Subventionsstaat. Die Bürger Ostdeutschlands forderte er zu mehr Flexibilität bei der Suche nach einem Arbeitsplatz auf, würdigte aber zugleich die Anstrengung und Leistung der Menschen.

"Hoch gefährlichen Debatte"

Sowohl der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) als auch dessen sachsen-anhaltischer Kollege Wolfgang Böhmer (CDU) widersprachen Köhler entschieden. Platzeck räumte in der "Bild am Sonntag" zwar ein, dass regionale Unterschiede in Deutschland zur Lebenswirklichkeit gehörten. Man könne aber nicht einverstanden sein, dass die Schere bei der Arbeitslosigkeit von fünf auf 25 Prozent aufgehe. Ähnlich argumentierte Böhmer: "Gleiche Lebensverhältnisse hat es in Deutschland nie gegeben und wird es auch nicht geben können. Aber gleichartige Lebensverhältnisse, wie sie auch das Grundgesetz vorsieht, streben wir weiter an."

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", es bleibe das Ziel, "dass die Schere zwischen Ost und West zusammengehen muss, so dass es zu vergleichbaren Lebensverhältnissen kommt." Der thüringische SPD-Chef Christoph Matschie sprach im gleichen Blatt von einer "hoch gefährlichen Debatte", mit der Köhler in den alten Bundesländern die Stimmung nur noch verstärke, dass der Osten bereits genug bekommen habe.

Köhlers Argumentation "abenteuerlich und absurd"

Auch aus der Bundesregierung wurde der Bundespräsident für seine Äußerung scharf attackiert. "Köhler rüttelt damit bewusst oder unbewusst an der besonderen Förderung für den Osten", sagte Aufbau-Ost-Staatssekretärin Iris Gleicke (SPD) der "Sächsischen Zeitung". Köhlers Argumentation sei "abenteuerlich und absurd". Die Angleichung müsse so schnell wie möglich kommen. Dazu gehöre auch die Angleichung bei den Regelsätzen des Arbeitslosengeldes II, sobald es gehe.

Auch FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper warnte davor, "eine Spaltung herbeizureden". Deutschland müsse sich aber tatsächlich vom Subventionsstaat verabschieden, sagte sie dem Blatt. PDS-Chef Lothar Bisky verlangte, Köhler dürfe die Ostdeutschen nicht im Regen stehen lassen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Schönbohm gibt Köhler "grundsätzlich recht"

Unterstützung erhielt Köhler vom brandenburgischen Innenminister Jörg Schönbohm. "Der Bundespräsident hat mit seinen Äußerungen grundsätzlich recht", sagte der CDU-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl am kommenden Sonntag der "Financial Times Deutschland" und verwies auf bestehende Unterschiede innerhalb Westdeutschlands.

Auch der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach und der sächsische CDU-Generalsekretär Herrmann Winkler unterstützen im "Tagesspiegel" die Position Köhlers.

DPA
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