Das Bundesumweltministerium hat bei der Panne im Atomkraftwerk (AKW) Krümmel ein Fehlverhalten des Personals ausgemacht. Dafür gebe es "deutliche Anhaltspunkte", teilte das Ministerium in Berlin mit. Die Mitarbeiter hätten Ende Juni während der Schnellabschaltung des Reaktors nach einem Brand einer Trafostation offenbar nicht nach Vorschrift gehandelt. Krümmel dürfe erst wieder angefahren werden, wenn mögliche Defizite bei der Zuverlässigkeit des Betreibers Vattenfall beseitigt und die Ursachen des Vorfalls vollständig aufgeklärt seien. Das Atomkraftwerk ist nun auf unabsehbare Zeit außer Betrieb.
Erklärungen von Vattenfall "völlig unzureichend"
"Hätte die Anlage vorschriftsmäßig reagiert, hätte eine Reaktorschnellabschaltung mit den negativen Auswirkungen nicht stattgefunden", hieß es aus dem Ministerium. Stattdessen sei es zu nicht vorgesehenen und beabsichtigten Veränderungen bei Druck und Füllstand gekommen, die zwar keine negativen Folgen gehabt hätten, wohl aber Vorläufer von schweren Störfällen oder Unfällen sein könnten. Die bisherigen Erklärungen von Vattenfall zu möglichen Fehlern der Bedienungsmannschaft seien "völlig unzureichend", bemängelte das Ministerium.
Beim Krisengespräch am Montag im Kieler Sozialministerium seien weder der Schichtleiter noch der Reaktorfahrer anwesend gewesen. Die Landesaufsicht erwarte nun zunächst bis Ende der Woche einen schriftlichen Bericht, sagte ein Sprecher. Ebenfalls bis Freitag erwarte man einen ausführlichen Bericht über die überhöhte Wasserstoffansammlung im AKW Brunsbüttel. Vattenfall hatte den meldepflichtigen Vorfall erst mit Verspätung mitgeteilt. Der Versorger hat nach Angaben des Ministeriums nun zwei Wochen Zeit, um dort die betroffenen Leitungen zu reinigen. Vattenfall war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.
SPD-Politiker fordert Ermittlungen
Der SPD-Energieexperte Hermann Scheer ging nach den Störfällen in den AKW Krümmel und Brunsbüttel, das ebenfalls von Vattenfall betrieben wird, in seiner Kritik noch weiter. Er verlangte angesichts gravierender Sicherheitsmängel Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. "Der Straftatbestand ist dann bereits gegeben, wenn die Gefahr fahrlässig verursacht wird oder aber wenn leichtfertig gehandelt und die Gefahr fahrlässig verursacht wird", sagte Scheer. Er halte auch einen Entzug der Betriebserlaubnis für durchaus denkbar. Die schleswig-holsteinische Sozialministerin Gitta Trauernicht lässt bereits die Zuverlässigkeit des Betreibers Vattenfall nach dem Atomgesetz prüfen.
Die für Krümmel zuständige Staatsanwaltschaft Lübeck sieht einem Sprecher zufolge bei einem möglichen Bedienungsfehler derzeit keinen Hinweis auf eine Straftat und entsprechende Ermittlungen. Die Behörde ermittelt bereits wegen des Brandes in dem Transformatorengebäude. Eine vorsätzliche Brandstiftung könne ausgeschlossen werden, sagte der Sprecher.
Bütikofer dringt auf personelle Konsequenzen bei Vattenfall
Die Grünen forderten personelle Konsequenzen bei Vattenfall. "Vattenfall hat offenkundig versucht, durch gezielte Desinformation die Störfalle in den Kernkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel herunterzureden", sagte Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. Vattenfall müsse sich vom zuständigen Geschäftsführer Bruno Thomauske trennen. Experten kritisierten mangelnde Kompetenz in deutschen Atomkraftwerken. Der frühere Chefingenieur des schwedischen Atomkraftwerks Forsmark, Lars Olov Höglund, sagte im ARD-Morgenmagazin, seit mehr als 20 Jahren sei nicht mehr in die Atomkraftwerke investiert worden. Dadurch verschwinde "automatisch die nötige Kompetenz" - offenbar auch in Krümmel und Brunsbüttel. Die Geschäftsleitung habe offenbar nicht den Sachverstand, um zu entscheiden, was wichtig und was unwichtig sei, sagte Höglund. Der Reaktorexperte des Ökoinstituts, Michael Sailer, sagte, die Anlagen seien auf Grund der aus Sicherheitsgründen durchgeführten technischen Änderungen von den Reaktormannschaften schwieriger zu überblicken. Da die erste Generation der Betriebscrews oft aus Altersgründen bereits ausgeschieden sei, fehlten zunehmend Kenntnisse aus der Zeit der Inbetriebnahme.