Natürlich packt einen da die kalte Wut: Was geht in diesen Menschen vor, die schweigend hinter einem vorbestraften Hallodri her marschieren, der gegen ein Hirngespinst protestieren lässt? Mit der Realität hat der wöchentlich wiederkehrende Spuk ja rein gar nichts zu tun: 2,2 Prozent Ausländeranteil in Sachsen - ein Glückspilz, wer da mal auf einen Zugereisten stößt.
Die Abscheu gegen Pegida überwinden
Jetzt kann man indigniert den Kopf abwenden und die stumpf aufmuckende Masse mit Verachtung strafen. Widerlich genug ist es ja, dass sich Leute gegen Mitmenschen erheben, die zum Teil seit Generationen (vor allem West-)Deutschland bewohnen und mitgestalten. Und die, wie jüngst eine Studie ergab, dem Land sogar mehr Geld einbringen, als sie kosten.
Aber diese Abscheu müssen wir überwinden. Denn sie führt zu nichts. Weggucken, Ignorieren, Totschweigen - dazu macht die unheilige Allianz von Hooligans und Biedermeiern zu viel Lärm. Und fängt auf, was sich in neun Jahren Merkel-Regentschaft am rechten Rand nicht mehr angesprochen fühlt.
Schwupps findet ja nun auch eine Partei ihre Bestimmung, nach der sie seit Monaten ringt, und zeigt endlich ihr wahres Gesicht: Keine Rede mehr von Euro weg - schließlich muss ja nun Europa zusammenrücken:
Gegen die morgenländischen Horden, die uns islamisieren wollen.
Das muss man ernst nehmen. Und nach guter alter bundesrepublikanischer Art behandeln: Sachsen, so scheint's, braucht ein Quartiersmanagement. Und einige andere Regionen auch. Hingehen, Ursachen analysieren, Missstände beheben. Arbeitsgruppen, Symposien, Aktionen, strukturelle Verbesserungen. Da sind jetzt viele kleine mühsame Schritte nötig. Das kostet Zeit, Geld, Geduld. Aber wer ein besseres Rezept hat als Bildung und Aufklärung, möge den Finger heben. Wir können Sachsen ja schließlich nicht einzäunen. Abgesehen davon, dass es dort ja auch etwa vier Millionen und 39.000 Einwohner gibt, die sich (noch) nicht Pegida angeschlossen haben.
Wir sind die Bevölkerung
Und noch ein letztes Wort zum Symbolkidnapping. Pegida marschiert montags. Würde montags der "Tatort" laufen, wären die Reihen lichter. Echte Montagsdemonstrationen sind und bleiben ein Instrument der Demokratie, und sie sind für immer mit Begriffen wie Respekt und Zivilcourage konnotiert. Nicht mit Ausgrenzung.

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Ihr seid das Volk? Zum Glück nicht! Denn wir sind deutlich mehr. Und wir sind das, was das heutige, weltoffene, durch den Zuzug aus allen Himmelsrichtungen reich und vielfältig gewordene Deutschland ausmacht: Wir sind die Bevölkerung.
Silke Müller findet alles interessanter als das, was ihr gleicht. Und ist froh, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und nicht sich selbst überlassen bleibt. Folgen können sie der Autorin unter @silkeundmueller