"Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (Essen): USA haben den Krieg bereits verloren
Die Amerikaner haben den Irak-Krieg verloren. Nicht militärisch, aber politisch. Die amerikanische Führung hat verloren beim Bemühen, durch diesen Feldzug den Nahen Osten zu befrieden. Wohl niemals zuvor waren die arabischen und moslemischen Massen so von Hass auf die USA beseelt wie jetzt. Die amerikanische Führung hat die Jugend der Welt verloren. Hunderttausende Schüler gehen seit Wochen gegen den Krieg auf die Straße. Diese Kinder und Jugendlichen sind angesichts der Kriegs-Bilder aufgebracht. Und ihre erste politische Erkenntnis lautet schlicht: Amerikaner machen diesen schlimmen Krieg. Militärisch werden die US-Truppen den Kampf gegen Saddam Hussein wahrscheinlich gewinnen. Der politische Preis aber ist viel zu hoch.
"taz" (Berlin): Bush akzeptiert nur Kapitulation
Der Selbstmordanschlag im Irak trage die Merkmale eines Terroraktes - so ein US-Militärsprecher. Folgt man dieser Definition, dann handeln alle irakischen Militärs terroristisch, die sich nicht entweder gleich widerstandslos ergeben oder doch wenigstens in einer offenen Feldschlacht von einem überlegenen Gegner niedermetzeln lassen. Die sofortige Kapitulation hatte US-Präsident George W. Bush denn auch gleich nach Beginn der Angriffe auf Irak als einzig verbliebene Möglichkeit "ehrenhaften" Handelns für irakische Streitkräfte bezeichnet. Das ist Kriegspropaganda auf niedrigstem Niveau.
"Stuttgarter Zeitung": Schröder hatte den richtigen Instinkt
Gerhard Schröder hat viele Fehler gemacht. Aber der Fairness und der Gerechtigkeit halber muss man im Nachhinein festhalten, dass der deutsche Bundeskanzler im letzten August den richtigen Instinkt hatte. Damals warnte er vor dem Abenteuer, das er nicht mitmachen werde. Damals stand Schröder allein, es hagelte Kritik von allen Seiten. Damals konnte Schröder noch gar nicht wissen, wie Recht er mit seiner Einschätzung hatte. Denn im Irak droht ein Desaster.
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": Schröder ist kein Pazifist
Der Kanzler ist so wenig Pazifist wie sein Außenminister. Die Friedensbewegung kommt den beiden zu Pass, Friedenspolitiker aber sind sie nicht. Der Kanzler verlangte gemeinsame europäische Verteidigungsanstrengungen jenseits der Nato; er ventilierte die Erhöhung der Rüstungsausgaben; und er brachte, über Bande, den Ausdruck "Berufsarmee" ins Spiel. Die dahinter erkennbare verbindende Absicht ist, dass Deutschland und Europa endlich Ernst machen sollen mit dem leeren Gerede über die Wahrnehmung eigener politischer Interessen durch militärische - organisatorische und materielle - Anstrengungen jenseits der inzwischen moribunden Nato. Ob sich Deutschland mit einer "Neuordnung der Welt" (Fischer) womöglich übernimmt, wird man fragen dürfen.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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"Leipziger Volkszeitung": Keine Zeit für krawallsüchtige Revoluzer
Die Protestbewegung funktioniert auch ohne elitäre Grüppchen, beherrschende Organisation und vordergründige Ideologisierung. Sie ist deshalb für die Gewalt suchende radikale Linke uninteressant geworden. Nicht krawallsüchtige Revoluzzer, die alles bestreiten - außer ihrem eigenen Lebensunterhalt - sind es, die die Demonstrationszüge dominieren. Nein, junge Leute, denen man lange Zeit Desinteresse an Politik nachsagte, gehen auf die Straße, weil sie ethische Werte wie Gerechtigkeit und Menschlichkeit im Widerspruch zur aktuellen politischen Lage sehen.
"Neue Osnabrücker Zeitung": Unbequeme Zeiten für Rumsfeld
Proteste und Schreckensbilder, mehr noch aber der offensichtlich weit hinter Planungen und hochgesteckten Erwartungen zurück bleibende Vormarsch der alliierten Truppen bringt die beteiligten Regierungen zunehmen unter Druck. Die Ungereimtheiten auf dem Schlachtfeld will verständlicherweise keiner verantworten müssen. Vor allem Donald Rumsfeld stehen unbequeme Zeiten bevor, falls Erfolge länger ausbleiben. Im Vorfeld des Krieges strotzte er vor Selbstbewusstsein und Selbstgefälligkeit, wischte auch mal Bedenken seiner führenden Militärs beiseite; jetzt gerät er in Erklärungsnot. Und nicht nur er. Die bittere Bilanz, die UNO-Chefkontrolleur Hans Blix nach seinen Erfahrungen speziell mit den US-Erwartungen an seine Tätigkeit zieht, ist unausgesprochen ein schwerer Vorwurf an die gesamte Bush-Regierung. Je länger der Krieg dauert, je blutiger er verläuft, desto drängender und lauter werden die Fragen an sie - auch im eigenen Land.
"BILD-Zeitung" (Hamburg): Bilder der Kriegsopfer kämpfen gegen die Alliierten
Die Koalition gegen Saddam mag auf dem Schlachtfeld obsiegen. Trotz Saddams Ruchlosigkeit. Trotz erbitterter Gegenwehr seiner Elitetruppen. Trotz der Heimtücke von Selbstmord-Soldaten. Trotz brüllender Hitze, die heranzieht. Trotz eines wahrscheinlich gnadenlosen Häuserkampfes. Einen Kriegsgegner hatten Amerikaner und Briten nicht im strategischen Kalkül: Die Zeit. Jeder neue Tag wird Gefallene und Verstümmelte zeigen. Das Elend unbeteiligter Zivilisten. Familien, die wehklagen und weinen. Die Meinung der Welt, der muslimischen voran, wendet sich immer schärfer gegen Amerika. Der Irak ist zu besiegen. Doch wird dieser Sieg die Herzen noch erreichen? In den Herzen wiegt das kleine Foto eines toten Kindes schwerer als das große Ziel der Freiheit.
"Der Tagesspiegel" (Berlin): Uno darf Amerikaner nicht verärgern
Hessens SPD fordert UN-Sanktionen gegen die USA, weil der Irak-Krieg völkerrechtswidrig sei. Und die bei der Basis als "rote Heidi" beliebte Bundesentwicklungsministerin Wieczorek-Zeul verlangt, Amerika solle neben den Kriegskosten auch gleich noch den Wiederaufbau bezahlen. Man kann nachvollziehen, wie sich der außerordentliche Landesparteitag in Rage geredet hat. Aber wer die UN stärken will, muss sich Gedanken machen, wie man Amerika dazu bringt, die Nachkriegsordnung im Irak in die Hände der UN zu legen. Und wem es um das leidende irakische Volk geht, der darf Aufbauhilfe nicht durch unrealistische Bedingungen behindern. Die Strafe träfe nicht Amerika, sondern die Iraker. In Rüsselsheim hat sich ein Landesverband ein gutes Gefühl verschafft - auf Kosten anderer. Für moralischen Rigorismus war Hessens SPD schon vorher bekannt. Auch ein schlechter Ruf will verteidigt sein.