"Nürnberger Nachrichten"
Wie umgehen mit dieser Partei? Bitte ohne Schaum vor dem Mund, mit kühlem, genauem Blick, differenziert und sachlich - nicht mit ihren Methoden, nicht auf ihrem Niveau. Alles andere wertet sie weiter auf. Es sind keineswegs alle AfD-Wähler rechtsradikal, auch wenn die Parteispitze dahin marschiert. Viele wählten sie aus Protest und Enttäuschung, es sind oft Ex-Anhänger der Volksparteien. Kluge, das heißt auch: leidenschaftlichere Politik darf diese Wähler nicht beschimpfen. Sie muss versuchen, sie zurückzugewinnen. Durch das Entzaubern der AfD und ihrer rückwärtsgewandten Rezepte für eine angeblich heile Welt von gestern. "
"Frankfurter Rundschau"
Ob berechtigte Unzufriedenheit, überbordende Ängste oder dumpfe Ressentiments zu diesem Wählervotum geführt haben, spielt für das Ergebnis keine Rolle. Für die politischen Aufgaben, die nun anstehen, umso mehr. Wie kommen wir zu einem Gesellschaftsentwurf, der nicht Massen von Frustrierten, Abgehängten und Wütenden produziert? Die dann Rassisten und Geschichtsklitterern hinterherlaufen. Dabei ist die große Mehrheit hierzulande mit ihren Zukunftswünschen viel aufgeklärter, als das hypnotische Starren auf den rechten Rand vermuten lässt. Die meisten Wählerinnen und Wähler wollen zum Beispiel nicht weniger, sondern tatsächlich mehr. Und obwohl es alle Wahlkämpfer angstvoll vermieden haben, offensiv für Europa zu werben, ist im Wahlvolk eine ablehnende EU-Haltung nicht auszumachen.
"Badisches Tagblatt"
Die AfD hat ein weit verbreitetes Gefühl getroffen. Fragen der Sicherheit, Kriminalität und die Flüchtlingsthematik haben viele Menschen beschäftigt. Diese Unruhe und Unzufriedenheit entlädt sich bei der AfD. Alles Verteufeln hat nichts genutzt und sogar das Gegenteil bewirkt. Jeder (selbst produzierte) AfD-Skandal im Wahlkampf hat sie nur stärker gemacht. Die AfD wird das Rednerpult im Bundestag für ihre Hass-Parolen nutzen. Doch dass die AfD außer Reden schwingen und provozieren Seriöses zur Problemlösung beiträgt, ist zu bezweifeln. Konstruktive Oppositionsarbeit ist von ihr nicht zu erwarten.
"Kölner Stadt-Anzeiger"
Jamaika hat als bürgerlich-ökologisches Bündnis eine Chance verdient. Bei den Themen Bürgerrechte, Digitalisierung, Bildung und Integration gibt es Schnittmengen zwischen FDP und Grünen. Persönliche Animositäten müssen hintan stehen. Auch das ist eine Frage der Staatsräson. Werden die wechselseitigen Vorbehalte der Vergangenheit überwunden, taugt Schwarz-Gelb-Grün als Modernisierungsbündnis, in dem das Regieren vor allem für die Kanzlerin anspruchsvoller wird.
Die wichtigste gesamtgesellschaftliche Aufgabe aller Fraktionen im Bundestag wird es sein, die AfD zu entzaubern. Wie können Wähler, die aus Enttäuschung, Wut und Angst die AfD gewählt haben, zurückgewonnen werden? Die Wahl vom Sonntag, das steht fest, verändert unser Land. Viel stärker, als die meisten von uns ahnen.
"Frankfurter Allgemeine Zeitung"
Die Unionsparteien haben es wieder geschafft: Sie wurden, wie mit zwei Ausnahmen seit 1976, stärkste politische Kraft im neuen Bundestag. Es würde, weil auch die Juniorpartnerin in der großen Koalition, die SPD, von den Wählern abgestraft wurde wie nie zuvor, der Kanzlerin eine vierte Amtszeit ermöglichen. Dafür müsste es Merkel jedoch gelingen, ein Bündnis aus CDU, CSU, FDP und Grünen zu schmieden. Das ist die einzige Möglichkeit, die ihr bleibt, da die SPD in die Opposition geht. Die Kanzlerin hat, was die Grünen angeht, kaum Berührungsängste. Doch die CSU, der im nächsten Jahr die Landtagswahl ins Haus steht, tut sich da ungleich schwerer, zumal nach diesem schwachen Ergebnis. Dem schwarz-gelb-grünen Anfang, so er überhaupt gelingt, wird Krampf innewohnen, nicht Zauber.
"Bild"
Seien wir ehrlich: Es hätte alles noch schlimmer kommen. Angela Merkel hat ihre Kanzlerschaft immerhin verteidigt, und die AfD ist noch nicht ganz auf das Niveau einer Volkspartei angeschwollen. Wenn das jedoch genügen soll, damit wir von einem „Sieg“ Merkels sprechen können, dann ist damit zum Ergebnis schon alles gesagt.
Tja, Deutschland. Wer den vergangenen Bundestag bereits für sperrig und problematisch hielt, der wird in den nächsten vier Jahren sein blaues Wunder erleben. In der Regierungsbildung steht der alten und neuen Kanzlerin ein Albtraum bevor, nachdem Thomas Oppermann praktisch mit der ersten Prognose klugerweise den Gang der SPD in die Opposition verkündet und der Großen Koalition den Stecker gezogen hat. Starke Grüne und die wiedergeborene FDP bringen gemeinsam fast zwei Drittel des Wählergewichts der Union auf die Waage und werden Merkel das in Koalitionsverhandlungen auch spüren lassen.
"Süddeutsche Zeitung"
Es ist passiert. Es ist nicht mehr nur eine Befürchtung: Die AfD wird mit Rassisten, Geschichtsrevisionisten und aggressiven Provokateuren in den Bundestag einziehen. Die Bundesrepublik steht vor einem neuen Kapitel. Das angenehme Leben ohne Rechtsradikale im Parlament ist Geschichte. Deutschlands Demokratie muss im Bundestag, aber auch überall sonst im öffentlichen Raum neu verteidigt werden. (...)
Die anderen Parteien zwingt das zu neuem Denken. Im besten Fall ist es ein Weckruf, der sie dazu bringt, keine künstlichen Scharmützel mehr zu inszenieren. Eine neue Priorisierung ist nötig. Der Raum und die Atmosphäre, in denen sie sich von nun an bewegen, werden andere werden. Konflikte in der Sache kann und muss es weiter geben; parteipolitische Reflexe der Abgrenzung aber sollten alle überprüfen. Nur wenn Union und SPD, wenn Grüne, FDP und Linke sich über die neue Herausforderung nicht zerstreiten, sondern den Konsens der Demokraten neu entwickeln, werden die Aggressionen der AfD ins Leere laufen.
