In der internationalen Presse wird zur Kenntnis genommen, dass Angela Merkel die Wahl gewonnen hat. Das dominierende Thema ist jedoch der Einzug der AfD in den deutschen Bundestag. Deutschland ist bemerkenswert lange ohne eine rechte Gruppierung im Bundestag davongekommen. Bis jetzt. Der Schweizer "Tages-Anzeiger" ist der Meinung, dass die deutsche Demokratie dafür reif genug ist. Die Londoner Zeitung "The Times" und die "New York Times" sehen harte Zeiten auf die künftige Regierung zukommen.
"The Guardian“, England
Der Aufstieg der AfD ist ohne Zweifel besorgniserregend. Und es ist ein Zeichen wachsender politischer Fragmentierung. Es bringt in Deutschlands föderale Politik ein Element von Gift und Polarisierung, das jedem, der einer liberalen Demokratie anhängt, nur zu denken geben muss.
"The Times", England
Angela Merkel ist nicht glücklich damit, die Anführerin der freien Welt zu sein. Selbst wenn sie solche Ambitionen gehabt haben sollte, wären diese nun durch die Umstände ihres Wahlsiegs beeinträchtigt. Vierte Amtszeiten sind in Deutschland nicht ohne Beispiel. Doch sie können vergiftet sein, wie ihr früherer Mentor, der verstorbene Helmut Kohl, einst erleben musste. Viele glauben gar, dass Merkel nicht für die gesamte Legislaturperiode im Amt bleiben wird. Der Einzug der AfD in den Bundestag - es ist das erste Mal seit 1960, dass eine politisch rechts-außen stehende Partei im Parlament vertreten ist - stellt zwar keine unmittelbare Gefahr dar, denn alle anderen Parteien weigern sich, mit ihr eine Regierung zu bilden. Aber sie wird mit ständigem Gezeter ein härteres Vorgehen gegen Migranten einfordern. (...) Unterm Strich wird es die siegreiche Merkel mit einer Regierung zu tun bekommen, die von vornherein instabil ist. Dagegen muss sie ankämpfen, indem sie eine energische Politik des Wandels durchsetzt statt zurückzuweichen.
"New York Times", USA
Trotz ihres Sieges können Frau Merkel und die Konservativen nicht alleine regieren, was es wahrscheinlich macht, dass das politische Leben der Kanzlerin komplizierter wird. Die Form und die Inhalte einer neuen Regierungskoalition werden Wochen mühsamer Verhandlungen beanspruchen.
"Washington Post“, USA
Gauland und andere AfD-Kandidaten machten während der gesamten Kampagne Schlagzeilen, die weithin als empörend wahrgenommen wurden. Doch einige ihrer Wähler äußerten am Sonntag die Hoffnung, dass dieses Profil ihrer Partei Merkel dazu zwingen wird, ihre Politik der jüngeren Vergangenheit zu ändern.
"El País", Spanien
Die Extremen beiseite - ein großer Teil der Deutschen hat für die Kontinuität gestimmt. Merkel steht noch immer für viele Bürger für Stabilität in einer zitternden Welt, bewohnt von Trump, Erdogan und Kim Jong Un. Sie steht für das notwendige Durchsetzungsvermögen und die Stärke, um den internationalen Herausforderungen die Stirn zu bieten.
"Le Monde", Frankreich
Wiedergewählt für eine vierte Amtszeit zieht die Kanzlerin mit Konrad Adenauer und Helmut Kohl gleich. Aber (...) das enttäuschende Ergebnis der deutschen Konservativen könnte schlimmer sein als das historische Tief von Frau Merkel in 2009.
"La Croix", Frankreich
Zwar hat Merkels Union aus CDU und CSU die Bundestagswahl gewonnen (...), aber sie verliert neun Prozentpunkte gegenüber 2013. In der Parteizentrale in Berlin war die Stimmung verbittert. (...) Für die christ-demokratische Partei von Angela Merkel beginnt nun ein neuer Marathon. (...) Sie muss Koalitionspartner finden.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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"Le Figaro", Frankreich
Angela Merkel hatte geglaubt, der Zuspruch der AfD würde abebben, wenn erst einmal die Flüchtlingskrise beendet sei. Der Flüchtlingsstrom ist drastisch zurückgegangen, aber die radikale Rechte hat sich etabliert. Für lange Zeit dürfte sie nicht aus der deutschen Politiklandschaft verschwinden.
"Die Presse", Österreich
Deutschland ist nach rechts gerückt. Mit zwei Jahren Verspätung präsentierten die deutschen Wähler ihre Rechnung für die Flüchtlingskrise. Es ist allein dieses Thema, das die Alternative für Deutschland (AfD) so stark gemacht hat. In einem anderen politischen Umfeld wären die Rechtsnationalisten angesichts ihrer eklatanten Führungsschwäche und ihrer wiederkehrenden Grabenkämpfe längst auf dem Misthaufen der Geschichte gelandet. Doch der anhaltende Unmut über Angela Merkels Politik der offenen Grenzen und die Massenzuwanderung hat dieser bereits todgeweihten Anti-Euro-Bewegung neues Leben eingehaucht.
"Der Standard", Österreich
Deutschland ist ohnehin bemerkenswert lange ohne eine rechte Gruppierung im Bundestag davongekommen. Doch wenn man hört, was viele dieser AfD-Leute von sich geben, mit welcher Selbstverständlichkeit von "ausmisten", von Ausgrenzung und von "Schluss mit dem Schuldkult" die Rede ist, wird einem übel. Man darf niemals vergessen. Das alles passiert in jenem Land, von dem der Naziterror einst ausging. Nun sitzen diese Volksvertreter im Bundestag, dem Herzstück der Demokratie, und werden dort ihre Reden halten. Wer jetzt noch glaubt, er könne weitermachen wie bisher, dem ist nicht mehr zu helfen. Das gilt für alle Parteien, insbesondere aber für Merkel und Martin Schulz, falls er denn an Bord bleibt nach diesem Desaster. Beide haben im Wahlkampf nicht hingesehen oder das Ausmaß des Frustes nicht begriffen.
"NZZ", Schweiz
Das starke Abschneiden der kleineren Parteien FDP und AfD erlaubt es der Wahlsiegerin Merkel nicht, einfach weiterzumachen wie bisher. Die beiden neuen Parteien im Bundestag können die Kanzlerin von rechts unter Druck setzen und die Politik der nächsten Bundesregierung beeinflussen - als Regierungspartner oder von der Oppositionsbank aus.
Zu diesem Zweck steht die AfD in der Pflicht, ihren Kurs zu klären und sich als rechtsbürgerliche Partei im Bundestag zu positionieren. Wird sie das im Wahlkampf gezielt gepflegte Schmuddel-Image als rechtsextreme, mit rassistischem Gedankengut spielende Protestpartei nicht rasch los, wird sie die Chance vergeben, direkten Einfluss auf die deutsche Politik zu nehmen. Eine rechtsextreme, dauerhaft nicht koalitionsfähige AfD-Fraktion im Bundestag würde Deutschland einen schlechten Dienst erweisen; genau darauf deutet allerdings der gegenwärtige Zustand der Partei.
"Tages-Anzeiger", Schweiz
Das ist in jeder Hinsicht eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik. Nie mehr seit deren Frühgeschichte saß eine rabiat nationalistische, islamfeindliche, in Teilen rassistische und rechtsradikale Partei im Parlament, schon gar nicht in dieser Größe. Der alte bundesrepublikanische Konsens, diese Kräfte aus dem politischen Diskurs auszuschließen, ist spektakulär zerbrochen. Dieser Tabubruch schockiert viele Deutsche, was angesichts des Traumas der Nazizeit verständlich ist. Umgekehrt kann man sagen, dass er die politischen Verhältnisse lediglich "normalisiert": Deutschland war das letzte Land Zentraleuropas ohne große rechte Protestpartei.
So erschreckend der Gedanke vielen Deutschen scheint: Der neue Bundestag wird die Vielfalt der Meinungen, Interessen und Ängste im Land besser abbilden als der letzte. Es wird zu mehr Streit kommen - gerade um Merkels umstrittene Flüchtlingspolitik. Die deutsche Demokratie ist dafür reif genug. Sie kann etwas mehr Auseinandersetzung und Alternativen vertragen.