Gerade gewinnt Borussia Dortmund gegen Favorit Wolfsburg. Auf mehreren Flachbildschirmen wird das Spiel in der Kneipe "Hally Gally" im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg übertragen. Der Mann mit Fanschal am Tresen ist in seinem eigenen Film. "Union, Union", blökt er durch das verräucherte Lokal, dessen Innenraum mit Fußballdevotionalien und einem hölzernen röhrenden Hirsch verziert ist.
Ein anderer Fußballfreund dreht sich umständlich eine Zigarette, so gut es eben geht nach sechs halben Litern Bier. Er steckt sich die Selbstgedrehte in den Mund und zahlt anschließend seine 13,40 Euro. Keine große Einnahme für den Wirt, aber dafür kommen seine Gäste jedenfalls regelmäßig.
Wo darf geraucht werden?
Wie sieht es in Ihrem Bundesland aus? Dürfen Sie in der Eckkneipe rauchen? Oder im Bierzelt? Zwar gilt das generelle Rauchverbot in den meisten Bundesländern seit Januar 2008, aber seither hat sich bei den Ausnahmen und Besonderheiten viel getan. Mit Hilfe unsere Deutschlandkarte können Sie genau nachvollziehen, wie der Stand in Ihrem Bundesland ist.
Ob sie auch noch kämen, wenn er ein Rauchverbot verhängen würde, weiß er selbst nicht. 2008, im Sommer, musste er zwar kurzzeitig eines aussprechen. "Aber da haben ja sowieso noch alle draußen gesessen", sagt der Wirt. Mittlerweile ist das rigide Verbot vom Tisch, und im Hally Gally darf wieder gequalmt werden. Nicht nur in Berlin sind die Nichtraucherschutzgesetze aufgeweicht. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr mussten die Länder ihre teilweise zu strengen Regelungen lockern. Doch zufrieden ist mit den aktuellen Regelungen kaum jemand. Im Gegenteil: Die Fronten scheinen sich weiter zu verhärten.
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... in der aktuellen "Financial Times Deutschland"
Länder suchen Ausgleich - mit mäßigem Erfolg
In Bayern war Anfang Dezember ein Volksbegehren erfolgreich, das sich gegen die Lockerung des Nichtraucherschutzes wendete. Ursprünglich hatte Bayern im Vergleich zu den anderen Bundesländern die strengsten Rauchverbote, weichte das Gesetz aber im August auf. In Festzelten und Einraumgaststätten darf seither wieder geraucht werden. Die Initiatoren und Unterstützer des Volksbegehrens wollen zurück zur alten Regelung und diese sogar noch verschärfen. Nun werden die Bayern möglicherweise 2010 sogar in einem Volksentscheid über das Rauchverbot abstimmen.
In Rheinland-Pfalz versuchen Nichtraucher derzeit auf dem Klageweg, für frische Luft zu sorgen: Beim dortigen Verfassungsgerichtshof ist eine Verfassungsbeschwerde eingegangen, mit der der Beschwerdeführer ein Rauchverbot in Festzelten durchsetzen will.

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Die Bundesländer ringen um Lösungen, mit denen sie Nichtraucher, Raucher und Gastwirte zufriedenstellen können. "Die Länder suchen einen Ausgleich der Interessen, wollen dabei aber das Schutzniveau erhalten", hat Wolfgang Ewer, Präsident des Deutschen Anwaltvereins und Verwaltungsrechtsexperte, beobachtet. Bislang mit mäßigem Erfolg.
Rauchen nur bei einfachen Speisen erlaubt
"Egal wie man entscheidet, man bezieht Prügel", sagt Siegfried Kauder, Vorsitzender des Bundestags-Rechtsausschusses, mit Blick auf die schwierige Situation der Landesregierungen. Um möglichst wenig Angriffsfläche für Klagen zu bieten, haben die Länder inzwischen alle recht ähnliche Gesetze, die sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientieren: Gaststätten dürfen generell separate Raucherräume einrichten. Und in Einraumkneipen, die nicht größer als 75 Quadratmeter sind und gewisse Auflagen erfüllen, darf bundesweit ohnehin wieder ordnungsrechtlich folgenlos zur Zigarette gegriffen werden. Bedingung ist, dass keine oder nur einfache Speisen angeboten werden und Jugendliche keinen Zutritt haben.
Doch möglicherweise naht nun das Ende der Spaltung der Gesellschaft: Damit Raucher und Nichtraucher wie in alten Zeiten wieder im selben Raum essen dürfen, suchen die Länder nach technischen Hilfsmitteln. Die schleswig-holsteinische Landesregierung etwa hat in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass das Nichtrauchergesetz um eine "Innovationsklausel" ergänzt wird.
"Frischeduschen" sollen den Streit schlichten
Gerüchten zufolge soll den Verantwortlichen eine Aufhebung des Rauchverbots in Gaststätten vorschweben, in denen "Frischeduschen" installiert sind: Apparate, die Qualm ansaugen und frische Luft in die Gaststätte blasen. Wie die Raucherkabinen in Flughäfen oder Büros, nur im großen Stil. Ob aber Gastwirte bei den ständig wechselnden Gesetzen willig sind, in Frischeduschen zu investieren?
Wolfgang Neskovic, rechtspolitischer Sprecher der Linken und nach eigenen Aussagen "toleranter Nichtraucher", wirbt für Vertrauen: "Technische Lösungen, die einen Ausgleich der Interessen bringen, sind zu begrüßen. In der Praxis werden sie sicherlich auch angenommen."