Deutschland befindet sich gerade in einer kritischen Phase. Die Probleme bei der Bewältigung der Corona-Pandemie führen zunehmend dazu, dass Menschen an der Politik zweifeln. Erst am Mittwoch hatte der Journalist Sascha Lobo in seiner Kolumne auf "Spiegel-Online" den Groll beschrieben, den ihm beim Anblick der aktuellen Regierung ergreift.
Lobo, der sich selbst als "linksliberal-demokratischen Verfassungspatrioten" bezeichnet, schrieb in beängstigender Klarheit: "Durch fortgesetztes Staatsversagen kann natürlich auch die Demokratie selbst beschädigt werden. Die Überzeugung, dass der Apparat im Großen und Ganzen angemessen funktioniert, ist bereits implodiert durch das multidimensionale Versagen bei Impfdebakel, Warn-App-Desaster, Testversagen, Schulnotstand, (...) und so fort."
Kann man gegen schlechtes Regieren etwas tun?
Ein Gefühl, das offenbar viele teilen: Der Artikel wurde von zahllosen Lesern in den sozialen Medien verbreitet. Einer von ihnen ist der Rechtswissenschaftler Alexander Thiele, der Lobos Text zu einem demokratietheoretischen Exkurs nutzte. Es sei wichtig zu unterscheiden, dass nicht der Staat oder die Demokratie versagt habe, schrieb der renommierte Gelehrte, der unter anderem als Privatdozent an der Universität Göttingen lehrt. Stattdessen seien immer wieder schlechte Entscheidungen getroffen worden, "weil das gewählte Personal überfordert war".
Nun könne Demokratie das Treffen guter Entscheidungen grundsätzlich nicht garantieren, das System funktioniere andersherum: "Sie erlaubt aber die Sanktion schlechter Entscheidungen." Etwa durch Abwahl. Genau hier gebe es ein großes Problem: "Wir scheinen uns in den letzten Jahren aber an einen Politikstil gewöhnt zu haben, der die üblichen Sanktionen gerade gegenüber der Kanzlerin nicht mehr ernsthaft in Betracht zieht und halten das für normal - so, als könnte man gegen eine schlechte Regierung nichts tun."
Dann wird der Rechtswissenschaftler grundsätzlich: "Wann wenn nicht jetzt sollte man personelle Konsequenzen ziehen? Sollte es ernsthaft keinen besseren Gesundheitsminister geben? Niemanden, der eine Impf- und Teststrategie organisieren könnte? Soll das ernsthaft das Beste gewesen sein, was möglich war?"
Sein Fazit: Wenn in einer solchen Situation der offenkundigen Überforderung kein Personalwechsel gefordert wird, sei das keine sonderlich gute Entwicklung."
Dass tatsächlich zwei so unterschiedliche Denker zu derart ähnlichen und beängstigenden Schlüssen kommen, sollte einen Denkanstoß dafür geben, ob mit unserer Demokratie derzeit tatsächlich alles zum Guten steht. Im besten Fall mobilisiert es Menschen, sich selbst aktiv in die Politik einzubringen.
Verwendete Quellen: "Spiegel-Online", Twitter, saschalobo.com