Robert Sesselmann ist kein sympathischer Kerl. Er pestet gegen Flüchtlinge, die "durchfinanziert" werden müssten, und fabuliert davon, dass "staatlich geförderte" illegale Einwanderung "das Recht auf Heimat unserer Kinder und Enkel" bedrohe. Er benutzt Begriffe wie "Altparteien" und "globale Elite", er heizt Verschwörungen einer angeblich geplanten "globalisierten Diktatur" an. Er wirft mit Schlagwörtern um sich, ohne dass er seine Vorwürfe groß belegen würde.
Eine Mehrheit der Bürger im kleinen thüringischen Landkreis Sonneberg hat ihn trotzdem zu ihrem neuen Landrat gewählt. In einer demokratischen Wahl. Das muss man akzeptieren.
So richtig akzeptieren wollen das aber nicht alle in Thüringen.
Am Dienstag wurde bekannt, dass das Thüringer Landesverwaltungsamt einen "Demokratie-Check" bei Sesselmann durchführen soll. Es sollte geprüft werden, ob er "die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt". So steht es als Voraussetzung im Kommunalwahlgesetz des Freistaats. In Sesselmanns Fall bestünden daran Zweifel, weil die Thüringer AfD vom Landesverfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft wurde. Es handele sich um eine Einzelfallüberprüfung, das Ergebnis sei völlig offen, sagte Katharina Schenk am Dienstag.
Schenk ist Innenstaatssekretärin im Innenministerium der rot-rot-grünen Landesregierung – und SPD-Politikerin. Und hier fangen die Probleme an. Ein von der Kanzlerpartei geführtes Innenministerium macht sich auf, dem AfD-Landrat nachträglich eine demokratische Wahl abzuerkennen. Jene SPD, die gerade von der AfD in bundesweiten Umfragen überholt wird.
Robert Sesselmann nachträglich zu prüfen, ist politisch dumm
Der Vorgang an sich klingt zwar nachvollziehbar, ob der Einstufung des Verfassungsschutzes. Doch das hätte man vor der Wahl machen sollen, nein müssen. Dafür fehlten wohl Zeit und Ressourcen. Weil Sesselmann keiner verbotenen Partei angehöre, sei seine Bewerbung nicht zu beanstanden gewesen, heißt es dazu.
Abgesehen von Verfahrensfragen: Politisch ist das Ganze nicht nur unklug, es ist ausgesprochen dumm und grob fahrlässig. Es bedient das Narrativ der AfD, besser als sie es sich selbst hätte ausdenken können. Man hört die wütenden AfD-Köpfe schon poltern: "Die da oben wollen uns verhindern, und wenn ihr uns wählt, dann finden sie schon was, um euren Willen zu umgehen."
Es ist Wasser auf die berühmten Mühlen und genau die falsche Antwort auf den Erfolg der AfD. Wer das belegt haben möchte, muss nur nach Amerika schauen. Trumps Gefasel von der "Hexenjagd" auf ihn ist seit jeher Kern seines Wahlkampfes. "Seht her, ich kämpfe für Euch gegen die bösen Mächte, die mich verhindern wollen." Diesem Narrativ Nahrung zu geben, ist in den USA falsch, und ist auch hier falsch.

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Wer will, dass die AfD für das gesehen wird, was sie ist: eine Partei ohne eigene Lösungen, die davon lebt, Ängste zu schüren und auf anderen rumzuhacken, ohne dabei jemals schlüssig dargelegt zu haben, wie sie es denn besser machen würde. Wie sie gedenkt, große Probleme zu lösen. Wer das offenbaren möchte, und dafür muss man ja bald schon fünf Mark ins Phrasenschwein werfen, der muss sich mit ihr inhaltlich auseinandersetzen.
Denn: Jemand, der redet wie Sesselmann ist offensichtlich in Teilen Deutschlands mehrheitsfähig. Das ist die erschreckende Erkenntnis der Wahl. Und das würde auch nicht dadurch rückgängig gemacht, würde man den AfD-Landrat nachträglich für untauglich erklären.

Der AfD-Landrat wird begrenzten Einfluss haben
Ob Sesselmann Feind der demokratisch-freiheitlichen Grundordnung ist, dafür gibt es zumindest keine unumstößlichen Beweise. Wird das Verfahren nun tatsächlich durchgezogen, ist der Ausgang offen.
Was hingegen sicher ist: Im Landratsamt von Sonneberg ist sein Einfluss arg beschränkt. Von dort aus wird Sesselmann die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht umstürzen, selbst wenn er das vorhätte – dann aber wäre er ein Fall für unabhängige Strafverfolgungsbehörden, nicht für ein SPD-geführtes Innenministerium.