Sexismus-Debatte Gauck empört #Aufschrei-Aktivistinnen

Nachdem Joachim Gauck die Sexismus-Debatte als "Tugendfuror" abgetan hatte, üben #Aufschrei-Initiatorinnen harsche Kritik. Auf Twitter gibt es jedoch auch Unterstützung für den Bundespräsidenten.

Nun hat die Sexismus-Debatte auch Bundespräsident Joachim Gauck erreicht. Grund dafür ist ein Interview in der aktuellen Ausgabe des "Spiegels", in dem Gauck in einigen Sätzen auf die Debatte um den Umgang mit Frauen eingeht - und sie offenkundig nicht für bedeutsam hält. Den öffentlichen Umgang mit FDP-Politiker Rainer Brüderle bezeichnet der Bundespräsident als "Tugendfuror". Weiter sagt er: "Eine besonders gravierende, flächendeckende Fehlhaltung von Männern gegenüber Frauen kann ich hierzulande nicht erkennen." Überhaupt gebe es in der Welt wichtigere Probleme: "Wir reden tagelang intensiv über das Verhalten eines Politikers abends an der Bar - aber wir sprechen nur wenig über die brandgefährliche Lage in Mali."

Mit diesen Äußerungen goss Gauck ungewollt Öl ins Feuer: Sieben Frauen, darunter die #Aufschrei-Initiatorinnen Anne Wizorek und Nicole von Horst, haben einen offenen Brief an das Staatsoberhaupt geschrieben. Darin zeigen sie sich "verblüfft und erschüttert" über die jüngsten Äußerungen im "Spiegel". Und bemühen sich um eine differenzierte Darstellung der Diskussion in den letzten Wochen: "Die Debatte um das Verhalten Rainer Brüderles kann mit der anschließenden Sexismus-Debatte nicht gleichgesetzt werden. Wer dies tut, reduziert ein strukturelles Problem auf einen Einzelfall."

Kritik an dem Begriff "Tugendfuror"

Brüderles Verhalten spätabends an der Hotelbar sei nur der Auslöser gewesen für eine weiterführende Debatte, in deren Verlauf unzählige Frauen ihre eigenen Erlebnisse erzählt hätten. Es werde der Debatte deshalb nicht gerecht, sie als "hochgejazzt" und von den Medien gehypt zu bezeichnen. "Wir erwarten von einem Bundespräsidenten, dass er reflektiert zu gesellschaftlichen Debatten Position bezieht und sich umfassend mit ihnen auseinandersetzt", heißt es weiter. Und noch deutlicher: "Wir vermissen in Ihren Äußerungen vor allem Feingefühl und Respekt gegenüber all den Frauen, die sexistische Erfahrungen gemacht haben."

Vor allem an dem Begriff "Tugendfuror" stoßen sich die Frauen: Durch die Verwendung dieses Wortes bringe Gauck erniedrigende, verletzende oder traumatisierende Erlebnisse in Verbindung mit dem Begriff "Furie". "Dieser Begriff wird ähnlich wie 'Hysterie' abwertend verwendet, um die Wut von Frauen lächerlich zu machen und als Überemotionalität zu deklassieren."

Den Brief haben derzeit mehr als 800 Menschen unterzeichnet (Stand: 16 Uhr). Anne Wizorek gab das Schreiben am Montag persönlich beim Pförtner des Schlosses Bellevue ab. Von Gauck selbst gibt es zu diesem Brief keine Stellungnahme. Seine Sprecherin verweist darauf, dass Bundespräsidenten grundsätzlich nicht auf offene Briefe reagieren. Der Bundespräsident wisse aber, dass es Sexismus gebe und dies ein Problem darstelle.

Inzwischen gibt es aber auch andere Reaktionen: Gauck erhält von vielen Twitternutzern Unterstützung. So schreibt Axel Beck: "Glückwunsch Herr Gauck. Mit der Bezeichnung 'Tugendfuror' für #Aufschrei haben Sie direkt ins Schwarze getroffen." Andere beschweren sich über den offenen Brief. Stefan Antonelli schreibt beispielsweise: "Jetzt hacken sie auch noch auf #Gauck herum. Langsam wird es lächerlich."

Daneben ziehen offenkundige Fake-Unterzeichner wie Axel Schweiß, P. Immel, Sebastian Schniedel, Willi Wutz, Ludwig Lümmel oder Jörg Kachelmann das Ansinnen des Briefes ins Lächerliche.

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