Sind Politiker die schlechteren Menschen? Taugen Parteien nichts? Wie heftig soll und darf man die Regierenden angehen? Fragen, auf die Joachim Gauck zumindest teilweise überraschende Antworten hat. Dem "Spiegel" hat der Bundespräsident ein Interview gegeben. Auf die Frage, ob der öffentlich Umgang mit Rainer Brüderle in Sachen Sexismus-Debatte nun scharf oder unfair gewesen sei, sagte er: "Wenn so ein Tugendfuror herrscht, bin ich weniger moralisch, als man es von mir als ehemaligem Pfarrer vielleicht erwarten würde. Es gibt sicher in der Frauenfrage bei uns noch einiges zu tun. Aber eine besonders gravierende, flächendeckende Fehlhaltung von Männern gegenüber Frauen kann ich hierzulande nicht erkennen."
In dem Gespräch distanziert sich Gauck auch von der Parteienschelte des früheren Staatsoberhauptes Richard von Weizsäcker. Dieser hatte die Parteien seinerzeit als "machtversessen und machtvergessen" bezeichnet. "Eine solche Kritik an der Politik werden Sie von mir sicher nicht hören", sagte sein Nachfolger. "Der Verdruss über sie ist zu groß, als dass ich ihn noch fördern möchte." Letztlich gebe es in der Politik wie in der Gesellschaft die ganze Bannbreite zwischen "total daneben und fast schon erleuchtet." "Das zu akzeptieren ist schwieriger, als mit dem Finger auf jemanden zu zeigen."
Gauck für mehr Transparenz bei Rüstungsgeschäften
Gauck missfalle es, wenn die Parteien pauschal schlechtgemacht werden. "Sie tragen seit Jahrzehnten wesentlich zur Ausgestaltung unserer Freiheit, unseres sozialen Friedens, unseres Wohlstandes bei. Ohne sie wären wir nicht da, wo wir heute sind."
Joachim Gauck hat sich zudem für mehr Transparenz bei deutschen Waffenexporten ausgesprochen. "Gute Dinge kann man in der Regel auch gut kommunizieren. In seltenen Fällen gibt es Gründe für Geheimhaltung", sagte er. Die meisten Deutschen kämen damit klar, dass die Sitzungen des Bundessicherheitsrates streng geheim seien. "Andere wollen mehr wissen. Das kann ich verstehen." Es müsse immer wieder debattiert werden, ob Waffen auch in Diktaturen geliefert werden sollten.
Deutsche Waffen nach Abu Dhabi?
Dem Nachrichtenmagazin zufolge steht Saudi-Arabien unter dem Verdacht, deutsche Waffen nach Abu Dhabi weiterverkaufen zu wollen. Der Staat habe das Sturmgewehr G36 ausgeführt, um es in Abu Dhabi auf einer Waffenmesse zu zeigen, berichtet das Magazin. Juristen sähen eine rechtliche Grauzone.
Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, "ein Verstoß gegen deutsche Re-Exportvorbehalte" läge nur dann vor, wenn das ausgestellte G36-Gewehr verkauft und nicht nach Saudi-Arabien zurückgebracht worden wäre. Hiervon sei nicht auszugehen. Der Linken-Abgeordnete Jan van Aken sagte dem "Spiegel": "Natürlich wollen sie das Gewehr verkaufen, wenn sie es auf einer Messe ausstellen."