Für einen Lacher auf dem SPD-Parteitag sorgte Gastredner Uwe Hück, Konzernbetriebsratchef bei Porsche. Wo die Deutschen doch jetzt einen eigenen Papst hätten, sagte Hück, habe er sich getraut, Gott zu fragen, ob die SPD die Wahl noch gewinnen könne. Die Antwort von allerhöchster Stelle habe gelautet: "Mein Sohn, warum zweifelst Du?"
Die Zweifler in den eigenen Reihen zu überzeugen, dieser Aufgabe hat sich SPD-Spitzenkandidat Gerhard Schröder gestellt. Er bat die Genossen eindringlich, raus ins Land zu gehen und mit den Unentschlossenen zu sprechen, immerhin noch ein Drittel der Wahlberechtigten. "Und", so Schröder weiter, "macht die Sympathisanten fest!"
Parteichef Franz Müntefering dagegen liebt die griffigen Beispiele: "Tankstelle und Rakete" sei der Wahlparteitag gewesen. Die Delegierten hätten Zuspitzung und Inhalte bekommen, was sozialdemokratische Politik ausmache und was sie von den Plänen der Schröder-Herausforderin Angela Merkel unterscheide. "Geht hin in alle Welt und sagt es den Leuten", so Müntefering.
Seinen Schwächeanfall der vergangenen Woche hatte er überwunden. Er forderte Wahlkampf bis an die Grenze der Belastbarkeit, und zwar bis zum 18. September um 18 Uhr. Zwölf Minuten stehende Ovationen, Getrampel, Gejohle und "Jetzt geht's los"-Rufe bekam der Kanzler für seine knapp anderthalbstündige Rede. "Lasst Euch nicht ins Bockshorn jagen", sagte Schröder. "Auch diese Wahl wird erst in den letzten Tagen entschieden werden."
Dass die SPD in den Umfragen noch einen großen Abstand zur Union hat, erwähnte er nicht. Der Kanzler nannte zu Beginn seiner Rede schon einmal Gründe, warum es für die SPD schief gehen könnte. Es gebe da eine "unheilige Allianz" von einflussreichen Helfern aus Wirtschaft und Verlagen, die von der SPD ein "Zerrbild" zeichneten. Dies dürften die Genossen nicht durchgehen lassen. Am Parteiabend vor dem Kongress hatte Schröder den Journalisten indirekt Parteinahme für den politischen Gegner unterstellt und gemahnt, ihr Ethos dürfe kein Schaden nehmen. "Zivilcourage, die ist von ganz vielen verlangt."
Die größte Zeit seiner Rede verwendete Schröder für Angriffe auf Merkel und "diesen Professor aus Heidelberg", den Finanzexperten Paul Kirchhof. Der verkaufe nicht nur sein Steuerkonzept unter Unionsflagge, sondern auch sein Familienbild - die Frau als Mutter und den Mann als Versorger. Für Schröder ist das Rückkehr ins 19. Jahrhundert. Kirchhof könne leben, wie er wolle, meinte der Kanzler und forderte: "Das darf nur nicht zum gesellschaftspolitischen Leitbild werden."
Auch Kirchhofs steuerpolitische Berechnungen sind für den Kanzler "schon ein Grund zur Fröhlichkeit". Er zitierte genüsslich eine Meldung über die Sekretärin mit dem Jahreseinkommen von 40.000 Euro und 1,3 Kindern, die "zu einem gewissen Prozentsatz verheiratet" sei. "Kann man einem solchen Menschen das Finanzministerium anvertrauen?", fragte der SPD-Politiker unter Gelächter der Anwesenden. Und Merkel wolle Kirchhofs Steuerpläne wirklich ausprobieren. "Kann man einer solchen Frau, die so etwas ausprobieren will, das Kanzleramt anvertrauen?"
"Abhauen, wenn es eng wird"
Über die Linkspartei verlor Schröder nur wenige Worte. Die "erweiterte PDS" fahre einen Kurs, der wirtschaftspolitische Schwierigkeiten im Innern heraufbeschwören und Deutschland politisch isolieren würde, sagte der Kanzler. Die Galionsfiguren Oskar Lafontaine, früherer SPD-Vorsitzender, und Gregor Gysi hätten bereits gezeigt, "dass sie die Klamotten hinschmeißen und abhauen, wenn es eng wird". So könne man ein Land nicht führen.

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"Wir machen keine Operette", hatte Müntefering in Anspielung auf den mit vielen Show-Elementen inszenierten CDU-Wahlparteitag angekündigt. Neben Videobotschaften und Gastrednern wie die Frauenpolitikerin und Psychologin Eva Rühmkorf ("Ihr müsst mir noch ein paar Minuten zuhören!") setzte die Parteitagsregie nur auf einen Bergmannchor. Er unterstützte die Genossen beim Singen ihrer Schlusshymne ("Wann wir schreiten Seit’ an Seit'"). Schröder und Müntefering reihten sich in den Chor ein. Im November wird die SPD in Karlsruhe ihren regulären Parteitag abhalten. Müntefering will noch einmal als Vorsitzender kandidieren. Das Präsidium soll radikal umgebaut und verjüngt werden. Ob Schröder noch dabei sein wird, hängt vom Wahlausgang ab.