15 Menschen auf Tournee durch Deutschland – mit einem Ziel: Die angeschlagene SPD wieder auf Kurs zu bringen. "Jetzt entscheiden wir die Zukunft", das hat die Partei als Losung ausgerufen. "Wir" meint weit über 400.000 Menschen. Sie sollen darüber entscheiden, wer sie in die Zukunft führt. Die SPD sucht ihre neue Parteispitze. Sieben Kandidatenduos und ein Einzelkämpfer wollen diese Aufgabe annehmen und starten ihre Bewerbungsreise quer durch die Republik, wollen für sich und ihre Visionen von der Zukunft der deutschen Sozialdemokratie werden.
Es ist ein Mammut-Programm, das die Bewerber in den kommenden gut zwei Monaten vor sich haben. 23 Städte in 38 Tagen. Anschließend folgt die Abstimmung, an der sich alle Mitglieder beteiligen dürfen. Gemeinsam nehmen sie dann das Schicksal der Partei in ihre Hände. Die "Internationale", das weltbekannte Arbeiterlied, dürften viele der über 400.000 schon oft genug gesungen haben. Sie wissen:
Es rettet uns kein höh'res Wesen
kein Gott, kein Kaiser noch Tribun
Uns aus dem Elend zu erlösen
können wir nur selber tun!
Los ging der Weg zur "Erlösung" in Saarbrücken, danach geht's von Süd nach Nord, von Ost nach West, von Metropolen in kleinere Städte, von den Bergen zur Küste. Insgesamt nimmt die Partei laut "Saarbrücker Zeitung" für die Tour und die folgende Mitgliederbefragung bis zu 1,9 Millionen Euro in die Hand. Die Castingkarawane der Superlative allein ist schon ein kleines Konjunkturprogramm für Betreiber von Stadthallen und Bürgerzentren, doch darum geht es der aktuellen Interims-Parteiführung nicht. "Wir freuen uns darauf, dass es jetzt endlich los geht", sagte der kommissarische SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel kurz vor dem Start des Tour. "Wir erwarten einen spannenden Wettbewerb um Ideen, um Programm. Es wird ein fröhlicher, es wird interessanter Austausch."

SPD-Kandidaten auf Deutschlandtour
Möglichst viele sollen dabei sein, auch Nicht-SPD-Mitglieder können vielerorts die insgesamt 23 Veranstaltungen besuchen, meist ist eine Anmeldung erforderlich (Ausnahmen: Nürnberg, Hamburg, München). Viele der Regionalkonferenzen werden laut SPD auch per Livestream im Internet übertragen:

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Termin | Ort | Livestream geplant? |
4. September 18 Uhr | Saarbrücken Congresshalle | ja |
6. September 18 Uhr | Hannover Wienecke XI | ja |
7. September 10 Uhr | Bernburg an der Saale Kurhaus | ja |
8. September 14 Uhr | Bremen Bürgerzentrum Neue Vahr | ja |
9. September 18.30 Uhr | Friedberg Stadthalle | ja |
10. September 18 Uhr | Nieder-Olm Ludwig-Eckes-Festhalle | nein |
11. September 18 Uhr | Erfurt Parksaal im Steigerwaldstadion | ja |
12. September 18.30 Uhr | Nürnberg Meistersingerhalle | ja |
14. September 16 Uhr | Filderstadt Filharmonie | ja |
15. September 17 Uhr | Oldenburg Weser-Ems-Hallen | nein |
16. September 19 Uhr | Bad Hersfeld Wortreich | nein |
17. September 18.30 Uhr | Berlin Willy-Brandt-Haus | nein |
18. September 19 Uhr | Hamburg Kampnagel | ja |
20. September 18.30 Uhr | Neubrandenburg Haus der Kultur | ja |
21. September 11 Uhr | Neumünster Stadthalle | ja |
23. September 19 Uhr | Ettlingen Schlossgartenhalle | ja |
27. September 18 Uhr | Braunschweig Stadthalle | nein |
28. September 10.30 Uhr | Kamen Stadthalle | ja |
29. September 10.30 Uhr | Troisdorf Stadthalle | ja |
1. Oktober 18 Uhr | Potsdam Fraunhofer-Konferenzzentrum | nein |
6. Oktober 10.30 Uhr | Duisburg Mercatorhalle | ja |
10. Oktober 18 Uhr | Dresden Herbert-Wehner-Haus | ja |
12. Oktober 10.30 Uhr | München Kulturzentrum Trudering | ja |
So aufwendig die Parteichefsuche ist, so streng reglementiert ist sie. Jede Regionalkonferenz folgt einem festen Schema. Dieses sieht pro Kandidatenduo oder Einzelbewerber nur eine Kurzpräsentation von bis zu fünf Minuten vor. Auf Fragen der Moderatoren oder aus dem Publikum darf maximal 60 Sekunden lang geantwortet werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die einzelnen Regionalkonferenzen insgesamt nicht länger als zweieinhalb Stunden dauern. Die kommissarische Parteichefin Malu Dreyer verteidigte das strenge Reglement im Bayrischen Rundfunk: Die kurze Zeit reiche aus, um die unterschiedlichen Positionen herauszuarbeiten. Es sei "schon wichtig, dass Leute sich fokussieren können", die den SPD-Vorsitz anstreben. Am Ende werde ein gutes Ergebnis stehen, äußerte sich Dreyer zuversichtlich: "Die Mitglieder werden entscheiden, und sie haben in der Vergangenheit immer auch weise entschieden."
Nach dem Ende der Bewerbungsfrist und dem Abschluss der Deutschlandtour ist jedoch erst ein Teil der Schritte zur neuen SPD-Spitze geschafft. Bis zum 19. September können sich Mitglieder für die Online-Abstimmung anmelden, und zwar jene, die bis zum 16. September in die Partei aufgenommen wurden. Der Antrag kann online oder bei direkt in den örtlichen Geschäftsstellen abgegeben werden; monatlicher Beitrag – je nach Gehalt – von 2,50 bis 250 Euro.
(Alb-)Traumjob SPD-Chef? Wer will's machen?
Vom 14. bis zum 25. Oktober haben die bestätigten Mitglieder dann Zeit – entweder online oder klassisch per Post – für ihre(n) Favoriten aus dem Kreis der Kandidaten zu stimmen:
Simone Lange und Alexander Ahrens zogen ihre Bewerbung beim Auttakt der Tour zurück.
Anschließend dürfte eine Nachschicht im Willy-Brandt-Haus anstehen und die Kameras richten sich auf die SPD-Zentrale: Am 26. Oktober, einem Samstag, wird das Ergebnis der Mitgliederbefragung veröffentlicht. War's das dann? Nein, nicht ganz. Wenn keine Bewerber über 50 Prozent der Stimmen bekommen, gibt es zwischen Erst- und Zweitplatzierten noch eine Stichwahl (19. bis 29. November) nach dem bekannten Verfahren.
Allerdings hat die SPD auch dann noch keine offizielle neue Spitze. Vom 6. bis 8. Dezember halten die Sozialdemokraten in der Messe Berlin ihren Parteitag ab. Und dort kann es theoretisch noch eine Überraschung geben: Wie die "Frankfurter Neue Presse" meldete, können dann laut Parteistatuten noch weitere Bewerber hinzukommen und gewählt werden, obwohl sie nicht an den Regionalkonferenzen und dem Mitgliedervotum teilgenommen haben. Ein Sprecher bestätigte das auf Anfrage der Zeitung, bezeichnete die Möglichkeit aber als eher unwahrscheinlich. Zum Parteitag vorgeschlagene Kandidaten bräuchten die Vorschläge einer festgelegten Anzahl an Delegierten. Ein anderer Weg sei es, vor dem Parteitag schriftlich den Nachweis einzureichen, dass ein Kandidat von drei Ortsvereinen vorgeschlagen wurde. Vielleicht ein Schlupfloch für ZDF-Moderator Jan Böhmermann, seinen Weg zum SPD-Parteivorsitz doch noch weitergehen zu können?
Ob mit oder (sehr wahrscheinlich) ohne Böhmermann: Am Ende des Parteitages soll es die neue Führungsspitze geben. Zwei Jahre hat sie dann Zeit, die Zukunft der SPD zu sichern und gestalten. Damit die vielleicht aufwendigste Wahl zu einem Parteivorsitz der bundesdeutschen Geschichte nicht – um auf die "Internationale" zurückzukommen – Zum letzten Gefecht wird.
Quellen: SPD, "Saarbrücker Zeitung", Bayerischer Rundfunk, "Frankfurter Neue Presse", Nachrichtenagenturen DPA und AFP