Die Nominierung eines Kanzlerkandidaten hat sich in der SPD zu einem Drama entwickelt: Der Entscheidung, Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum Kanzlerkandidaten zu küren, folgte am Sonntag bei Beratungen der SPD-Spitze in Werder nach Informationen von stern.de der Rücktritt von Parteichef Kurt Beck. Den Informationen zufolge soll der frühere Parteivorsitzende und Vizekanzler Franz Müntefering wieder Parteichef werden.
Allerdings muss den Regeln der Partei zufolge zunächst einer der Stellvertreter den kommissarischen Parteivorsitz übernehmen. Angesichts der herausgehobenen Stellung voraussichtlich Steinmeier. Müntefering kann als neuer regulärer Vorsitzender nur von einem Parteitag bestätigt werden.
Der Sauerländer gilt als innerparteilicher Rivale Becks. Er war bereits von März 2004 bis November 2005 Parteichef. Müntefering legte das Amt danach nieder, weil er seinen Wunschkandidaten nicht als Generalsekretär durchsetzen konnte. Er kehrt nun als 13. Parteichef seit Kriegsende zurück an die SPD-Spitze - und damit als fünfter Vorsitzender innerhalb der vergangenen fünf Jahre.
Die Klausurtagung der SPD-Spitze am Schwielowsee hatte bereits turbulent begonnen. Schon vor Beginn der Veranstaltung war Unmut darüber laut geworden, dass die SPD doch schon jetzt und nicht erst - wie immer wieder betont - nach der Landtagswahl in Bayern am 28. September ihren Kanzlerkandidaten bekanntgeben will. Daraufhin hatte sich Beck mit seinen Stellvertretern Steinmeier, Peer Steinbrück und Andrea Nahles sowie mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck und SPD-Generalsekretär Hubertus Heil zu Beratungen über das weitere Vorgehen zurückgezogen. Die eigentliche Klausurtagung begann mit fast zwei Stunden Verspätung.
Chaotischer Ablauf
Eigentlich wollten Beck und sein Stellvertreter Steinmeier ein gemeinsames Eckpunktepapier zur Vorbereitung auf die Bundestagswahl 2009 vorstellen. Außerdem sollten Vorschläge zur Entlastung der Bürger von der Energiepreisexplosion verabschiedet werden, doch zumindest die gemeinsame Pressekonferenz fiel aus.
An der Klausur unter Leitung Becks hatten das gesamte Präsidium der SPD, der Fraktionsvorstand sowie die sozialdemokratischen Bundesminister und Ministerpräsidenten der Länder teilgenommen. Bereits jetzt steht fest, dass die SPD mit einem schwierigen Auftakt in die letzten zwölf Monate vor der Bundestagswahl im September 2009 startet, bei der die in der Bevölkerung beliebte Kanzlerin Angela Merkel wieder für die Union antritt.
Die Union reagierte mit Häme. "Die SPD-Vorsitzenden scheitern nicht an sich, sondern an den vollkommen ungelösten Konflikten in inhaltlichen und strategischen Fragen. Die Solidarität ist aus der Partei entflohen und durch Egotrips Einzelner und Illoyalitäten ersetzt worden", sagte der CDU-Bundesvize Christian Wulff der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Beck sei nicht nur während seiner Erkrankung von der Partei im Regen stehen gelassen worden. "Die Zeit des Wegduckens ist nun für Steinmeier vorbei", sagte Wulff.

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CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer erklärte, "die tiefe inhaltliche Zerrissenheit" der SPD werde nur verstärkt. Steinmeier sei "der Macher der Agenda 2010, das wird ihm der linke Parteiflügel auch als Kanzlerkandidat nicht verzeihen."