SPD-Vorsitz Nur noch Bundeskanzler

Die Kritik am Reformtempo war in der SPD zuletzt immer schärfer geworden. Bundeskanzler Schröder zog jetzt die Konsequenzen und wird den Parteivorsitz an den Fraktionsvorsitzenden Franz Müntefering abtreten.

Der "Boss der Genossen", den es so niemals gegeben hat, ist künftig nur noch Bundeskanzler. Nach rund fünf Jahren als SPD-Vorsitzender legte Gerhard Schröder am Freitag die Führung der Partei nieder, die ihn oft nur knurrend als Spitzenmann akzeptiert hatte. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering, der unermüdlich an der Basis für Schröders Reformkurs warb, soll die SPD künftig führen. Er kann mit großer Zustimmung des für Ende März angesetzten Sonderparteitags rechnen.

Auf einem solchen Sonderparteitag Mitte April 1999 in Bonn hatte sich Schröder in die Pflicht nehmen lassen. Oskar Lafontaine war zuvor als Finanzminister zurückgetreten und als SPD-Chef regelrecht desertiert, wie ihm viele Genossen ankreideten. Den Bundeskanzler als Parteichef wollten damals nur drei von vier Delegierten - Schröder fuhr mit knapp 76 Prozent Zustimmung das zweitschlechteste Wahlergebnis seit dem Krieg ein. Bei seiner dritten Wiederwahl im November 2003 votierte immerhin noch jeder fünfte Delegierte nicht für ihn.

Probleme mit der Basis

Schröder räumte am Freitag Probleme mit der Basis ein. Alle im Land seien für Reformen, aber nur, wenn sie nicht betroffen seien. "Dieses Vermittlungsproblem gibt es natürlich auch in meiner Partei." Schröder nannte seinen Schritt eine "Konzentration der Kräfte": Er wolle die Erneuerung im Lande vorantreiben, Müntefering mache das künftig in der Partei.

SPD-Generalsekretär Olaf Scholz wird nur bis zum Sonderparteitag im Amt bleiben, als zahnloser Wadenbeißer der Sozialdemokraten. Müntefering verkündete, dass Scholz aus der Ankündigung des Bundeskanzlers, den Parteivorsitz niederzulegen, die Konsequenzen gezogen habe.

Umbildung des Bundeskabinetts bleibt offen

Schröders Schritt folgte auf öffentlich auch von prominenten SPD-Politikern vorgetragene Kritik am Reformtempo, die zum Teil mit der Forderung nach einer Umbildung des Bundeskabinetts kombiniert wurde. Diesen Schritt hält sich der Kanzler noch immer offen. Er erklärte, den Neuanfang mit voranzubringen, sei die Chance für alle Regierungsmitglieder. Mehr wollte er zu diesem Thema nicht sagen.

Die Opposition nannte Schröders Rückzug vom Parteivorsitz den Anfang vom Ende des Bundeskanzlers Schröder und forderte prompt Neuwahlen. CDU-Chefin Angela Merkel meinte: "Der Bundeskanzler ist jetzt in der Hand von Herrn Müntefering." Dies sei ein "Autoritätsverlust auf ganzer Linie."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Erneuerung Deutschlands mit Ostpolitik vergleichbar"

"Ich fürchte keinen Autoritätsverlust", betonte Schröder. Ganz sicher nicht, fügte Müntefering hinzu: "Das wird eine Politik aus einem Guss sein." Die Erneuerung Deutschlands sei ein "historischer Prozess", der mit der Ostpolitik von Willy Brandt zu vergleichen sei. Schritt für Schritt müsse die SPD, die in Umfragen bei 25 Prozent Zustimmung dümpelt, Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen, sagte der SPD-Fraktionschef.

Der Kanzler widersprach vehement Einschätzungen, er sei regelrecht aus dem Parteiamt gedrängt worden: "Ich habe nicht gesagt, dass ich es gern weitergemacht hätte, sondern, dass ich es ungern abgebe. Das ist etwas anderes." Er begreife es aber als seine Pflicht, Probleme in und mit der SPD zu verhindern. Den Parteivorsitz niederzulegen, sei eine "Entscheidung, die ich vorgeschlagen habe und niemand anderes".

Müntefering soll es richten

Als Schröder 1999 schon einmal Probleme mit der SPD bekam, musste Müntefering sein Amt als Verkehrsminister niederlegen und das Amt des Generalsekretärs übernehmen. Als die sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten aufmuckten, wurde er als "Zuchtmeister" im Sinne von Herbert Wehner in die Fraktion geschickt. Jetzt drohte die SPD-Basis dem Kanzler, angesichts von Reformeinschnitten und 14 Wahlen in diesem Jahr von der Fahne zu gehen.

So wird aus dem Sauerländer mit dem schlichten Spitznamen "Münte" ein "Super-Münte". Die Partei- und Fraktionsarbeit hält er für "sehr wohl kompatibel". Er räumte aber ein: "Ich werde mich anstrengen müssen, das weiß ich schon."

"Das schönste Amt neben dem Papst"

Und ganz Parteisoldat, der er schon immer ist, machte Müntefering den zaghaften Genossen sofort wieder Mut: "Ich gehe mit gutem Gewissen durch das Land und bin sicher, dass wir Deutschland helfen." Und er setzte gleich noch einen drauf. SPD-Parteivorsitzender - "das ist das schönste Amt neben Papst". Schröder lächelte gequält: "Das kann man so oder so sehen."

Vera Hella Fröhlich