Die Alarmglocken im Berliner SPD-Zentrale dürften in den letzten Monaten mal mehr, mal weniger häufig geläutet haben. Nach den jüngsten Umfragewerten könnte daraus ein Dauerklingeln werden. Erstmalig sind SPD und Linkspartei nur noch fünf Prozent voneinander entfernt. Während die SPD nach der aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag des stern mit 20 Prozent in der Dauerkrise feststeckt, gewinnt die Linkspartei erneut einen Punkt hinzu - und verbucht nun den bisherigen Rekordwert von 15 Prozent.
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Dass die Linkspartei ein vorübergehendes Phänomen in der deutschen Parteienlandschaft sei, daran glaubt Lothar Probst schon lange nicht mehr. Der Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bremen verweist darauf, dass "die Linkspartei im Osten der Bundesrepublik schon lange die stärkste Partei" ist. Dabei liegt die aktuelle Stärke der Linken nicht nur in der Schwäche der SPD begründet. Zwar wildern die Sozialisten im Lager der SPD, jedoch "haben bei der letzten Bundestagswahl auch 390.000 vorherige CDU-Wähler ihr Kreuz bei der Linkspartei gemacht", so der Politologe zu stern.de.
Die Zeiten, in denen die SPD mit der CDU um die Rolle der stärksten Partei kämpfte, scheinen vorbei zu sein. Merkel und Co. haben mit 37 Prozent in der Wählergunst unverändert die Nase vorn. Gemeinsam mit der FDP, die einen Punkt verloren hat und derzeit bei 12 Prozent liegt, käme die CDU aktuell auf 49 Prozent - das würde für eine stabile Mehrheit reichen.
Für die SPD müsse es zukünftig vor allem darauf ankommen, eine tragfähige Linie im Umgang mit den Linken zu entwickeln. "Langfristig geht es für die SPD nicht ohne die Linke" so Probst zu stern.de. Nach der nächsten Bundestagswahl 2009 werde sich die SPD auch im Westen für rot-rot-grüne Koalitionen auf Landesebene öffnen müssen. "Ansonsten", so der Bremer Politologe, "bleiben sie auf ewig Juniorpartner in einer großen Koalition mit der CDU".
Während sich die CDU auf der rechten Seite des Parteienspektrums mit keiner nennenswerten Konkurrenz herumärgern muss, ist der Handlungsspielraum für die Sozialdemokraten wesentlich enger. Eine Rückkehr zu einer Sozialstaatspartei wie in den vorherigen Jahren komme nicht mehr in Frage, sagt Probst. Die klassische sozialdemokratische Klientel sei kaum noch erreichbar.
SPD hat Glaubwürdigkeitsproblem
"Die SPD hat wegen der Agenda 2010 ein massives Glaubwürdigkeitsdefizit", so der Wissenschaftler. Um nicht noch weiter an Glaubwürdigkeit einzubüßen müsse man am mittlerweile ungeliebten Reformkurs festhalten. Der Kampf um die Plätze in der politischen Mitte ist aber traditionell besonders hart in Deutschland. Neben der SPD mühen sich hier CDU, FDP und Grüne um Mandate.
Es ist ein bisschen wie die Reise nach Jerusalem. Wer nicht weiß wohin mit sich, findet am Ende keinen Platz. Die, die am Ende noch stehen sind momentan meist Sozialdemokraten.