Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ein Verbot von Studiengebühren durch den Bund für nichtig erklärt hat, kann jetzt jedes Bundesland entscheiden, ob es Gebühren für den Hochschulbesuch erheben will. Die unionsgeführten Länder begrüßten diese Entscheidung als Sieg über die Bundesregierung, die sich in Angelegenheiten der Länder eingemischt habe. Sie forderten zu einem Einlenken des Bundes in der Föderalismusdebatte auf. Am Streit um die Kompetenzen in der Bildungspolitik war Ende vergangenen Jahres die Föderalismusreform gescheitert. Im Erfolgsfall wäre sie die größte Verfassungsreform seit Bestehen des Grundgesetzes gewesen.
Die Regierungsparteien riet dagegen von Alleingängen einzelner Länder ab und mahnten eine sozialverträgliche Gebührenregelung an. So warnte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) mit Blick auf entsprechende Ankündigungen einiger CDU-regierter Länder davor, jetzt im Schnellverfahren Gebühren einzuführen, ohne vorher Mindeststandards für die soziale Ausgestaltung sichergestellt zu haben. Gemeinsam mit den SPD-regierten Ländern halte sie die Gebührenfreiheit für das erste berufsqualifizierende Studium in der Sache für richtig, betonte die Ministerin. Jeder junge Mensch müsse unabhängig vom Geldbeutel der Eltern seine individuelle Chance auf eine erstklassige akademische Ausbildung erhalten. Es gehe in erster Linie darum, junge Menschen nicht von einem Studium abzuschrecken. "Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Menschen mit einem Studium, wenn wir Wohlstand und Beschäftigung in Deutschland sichern wollen", mahnte Bulmahn.
Bafög wird für den Lebensunterhalt gezahlt
Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Krista Sager, setzt trotz des Urteils, das jedem Land eine eigene Regelung erlaubt, auf eine bundeseinheitliche Lösung. Die Länder müssten jetzt eine gemeinsame Rahmenregelung finden, die Kleinstaaterei verhindere und sozial verträglich sei, sagte Sager. Die vorhandenen Studienkonten-Modelle könnten Grundlage für eine länderübergreifende Regelung sein. Ein Studienkontenmodell bedeutet, dass das Studium gebührenfrei ist, sofern die Regelstudienzeit nicht deutlich überschritten wird. Erst für Langzeitstudenten werden Gebühren fällig.
Der Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) betonte vor allem die Bedeutung des Urteils für den Streit um die Föderalismusreform. Er bewertete es als "vollen Erfolg für die Länder und schwere Niederlage für die Bundesregierung". Der Bund müsse die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder für die Bildung endlich anerkennen. Als Studienhindernis sieht Stoiber Gebühren nicht an. Sie seien wichtig, um die Hochschulangebote zu verbessern: Das zusätzliche Geld ermögliche „mehr akademische Spitzenausbildung in Deutschland.“ Der CSU-Vorsitzende versprach, die Studiengebühren in Bayern sozial ausgewogen zu gestalten. Die Entscheidung für ein Studium werde weiterhin nicht vom Geldbeutel, sondern von Begabung und Leistung abhängen.
"Ausschluss von Unterprivilegierten von Bildungschancen"
Studentenverbände sehen dagegen die freie Studienwahl gefährdet und kündigten Proteste an. Die Länder müssten sich darauf einigen, bundesweit keine Gebühren zu erheben, erklärte der Geschäftsführer des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS), Sascha Vogt. "Alles andere wäre eine bildungspolitische Katastrophe und ein sozialpolitischer Ausschluss von Unterprivilegierten von Bildungschancen." Auch kreditfinanzierte Gebühren würden nach Ansicht des ABS viele Menschen vom Studium abschrecken.
Hochschulvertreter begrüßten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Hamburgs Universitäts-Präsident Jürgen Lüthje sagte: "Ich habe die Entscheidung erwartet, ich halte sie für richtig". Jetzt sei die Politik am Zuge. Schließlich müsse ein System von Stipendien, Darlehen und Bildungssparen geschaffen werden, um das gesamte Spektrum zur Finanzierung abzudecken. «Bildungssparen statt Bausparen» sei gefragt. An die Studierenden richtete Lüthje den Rat, nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen zu sehen, die sich durch die Einführung von Studiengebühren böten. "Ich bin sicher, dass die Studenten die Gebühren akzeptieren, wenn sie erkennen, dass ihre Eigenbeteiligung auch tatsächlich zur Verbesserung der Studienbedingungen verwendet wird."

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Nach dem Willen der jeweiligen Landesregierungen sollen Studierende in Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen und dem Saarland in Zukunft vom ersten Semester an Gebühren für ihr Studium zahlen.