Die Entsorgung ausgedienter Atomreaktoren und Kernforschungsanlagen kostet den Bund zweistellige Milliardenbeträge. Dies geht aus einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der SPD-Fraktion hervor, die der Nachrichtenagentur DAPD in Berlin am Montag vorlag. Danach hat der Bund schon 5,2 Milliarden Euro für die Stilllegung und den Rückbau ausgegeben. Bis 2035 kommen noch einmal 5,4 Milliarden Euro hinzu, so dass die Gesamtsumme auf mindestens 10,6 Milliarden Euro klettert.
In dem Schreiben räumt das Forschungsministerium ein, dass sämtliche Kostenschätzungen "mit Unsicherheiten behaftet sind". Grund seien vor allem höhere Kosten für die Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle sowie die starke Verzögerung beim Bau von Endlagern, was ebenfalls die Kosten in die Höhe treibt.
Allein für die Stilllegung und Sanierung des Endlagers Asse II kalkuliert die Regierung mit mehr als zwei Milliarden Euro. Allerdings räumten die Beamten von Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) auch ein, die Kosten ließen sich derzeit "nicht belastbar abschätzen". Eine komplette Rückholung des Atommülls aus dem maroden Salzbergwerk werde nach einer ersten Machbarkeitsstudie etwa 3,7 Milliarden Euro kosten.
Beim Rückbau der DDR-Kernkraftwerke in Greifswald und Rheinsberg würden Mehrkosten von einer Milliarde Euro gegenüber der ursprünglichen Planung erwartet, wie es in dem Regierungsbericht weiter heißt. Auch die Sanierung alter Forschungsanlagen in Karlsruhe werde nach jetzigem Stand 85 Millionen Euro teurer als geplant.
Allein die langen Planungszeiträume seien bereits ein Problem für die Kostenkalkulation, heißt es. Das geplante Endlager in Gorleben soll bis etwa ins Jahr 2080 für Mülllieferungen geöffnet bleiben. Allerdings ist noch unklar, ob und wann in Gorleben Müll endgelagert werden kann.
Der SPD-Haushaltspolitiker Klaus Hagemann sagte der "Financial Times Deutschland", die 10,6 Milliarden Euro seien "leider nur eine Untergrenze des Jahres 2010". Angesichts zahlreicher Sanierungsprojekte wie der Asse und dem Endlager Morsleben drohe "ein atomares Fass ohne Boden", sagte er dem Blatt, das vorab über die Anfrage berichtet hatte.
"Atom-Alarm" in den Wahlkreisen
Das Kampagnennetzwerk Campact organisierte am Montag in rund 50 Bundestagswahlkreisen vor Büros und Geschäftsstellen von Union und FDP mit Tröten, Pfeifen und Trommeln einen "Atom-Alarm". Mit der Aktion forderten die Demonstranten die Koalition auf, nicht am Atomausstieg zu rütteln und sich für eine konsequente Wende zu erneuerbaren Energien einzusetzen.

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Die Regierung will Ende August Szenarien der Energieversorgung vorlegen und im Herbst ein umfassendes Energiekonzept beschließen. Ab 2011 soll zudem eine Brennelementesteuer als Bestandteil des Sparpaketes dem Bundeshaushalt jährlich Einnahmen von 2,3 Milliarden Euro einbringen. Damit sollen zum einen die Zusatzgewinne der Energieversorger aus der geplanten Laufzeitverlängerung teilweise abgeschöpft werden. Weiteres Ziel ist es, die Atomkonzerne an den Sanierungskosten für die Atommülllager Asse und Morsleben zu beteiligen.
Der Streit über längere Laufzeiten der Atomkraftwerke wird aller Voraussicht nach in Karlsruhe entschieden. Sowohl die Grünen als auch die neue nordrhein-westfälische Landesregierung kündigten am Wochenende an, sie wollten das Bundesverfassungsgericht anrufen, wenn die schwarz-gelbe Koalition an ihren Plänen festhalte. Mit dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller wandte sich aber auch ein prominenter CDU-Politiker gegen längere Laufzeiten.