Vor elf Tagen enthüllten wir im stern, welche deutschen Europaabgeordneten Mitglied in dem umstrittenen Pensionsfonds des EU-Parlaments waren oder sind. Jetzt haben Zeitungen in mehreren anderen EU-Staaten nachgezogen. Gestern berichtete die größte dänische Tageszeitung Jyllands-Posten auf der Titelseite ihrer Sonntagsausgabe über die mögliche "doppelte Pension für EU-Politiker" - und zitierte den stern, der vorvergangene Woche erstmals publik gemacht hatte, dass auch gut ein Drittel der deutschen EU-Parlamentarier Mitglied in dem Luxemburger Fonds waren oder sind.
Bereits vor den Dänen hatten auch das niederländische Fernsehen und die Luxemburger Presse die stern-Recherchen aufgegriffen. Die zweite Parlamentskammer in Den Haag hatte schon im Jahr 1997 den EU-Fonds als "nicht zu rechtfertigen" angeprangert. Dies damals angeblich mit der Stimme des heutigen holländischen Außenministers Maxime Verhagen - der aber selbst seit seiner Zeit im Europaparlament (EP) Mitglied in der zweifelhaften Rentenkasse war.
Die öffentliche Debatte in unseren Nachbarstaaten kontrastiert auffällig mit der Stille, die in Deutschland um das Thema herrscht. Ob es damit zusammen hängt, dass Politiker aller großen Parteien - von CSU über CDU bis zu Grünen und Linkspartei - Mitglied in dem Fonds waren und sind? Und damit, dass alle Angst vor weiteren Negativschlagzeilen haben, zumal vor den Wahlen zum Europaparlament am 7.Juni?
Immerhin meldete sich der CDU-Europaabgeordnete Kurt Lauk mit der präzisierenden Bemerkung zu Wort, dass er den Fonds - nach an die vier Jahren Mitgliedschaft - im August 2008 wieder verlassen habe. Da war ihm klar geworden, dass ja der Steuerzahler "einen unverhältnismäßig hohen Beitrag" zu der Pension zu leisten habe. Lauk ist Präsident des CDU-Wirtschaftsrates. Beachtlich, dass er schon nach vier Jahren merkte, dass das EP-Rentenmodell - zwei Drittel finanzieren die Steuerzahler - schlecht zu seinen öffentlichen Forderungen nach mehr Eigenvorsorge bei der Alterssicherung passte.
Nur der unabhängige österreichische EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin hat bisher gewagt, mit öffentlicher Kritik an dem Fonds zu reagieren. Er findet es "ungeheuerlich", dass seit den Recherchen des stern nur auch der „Verdacht“ erlaubt ist, dass deutsche Europaparlamentarier doppelt Rente kassieren - sowohl aus Luxemburg wie die ihnen zustehende Altersentschädigung des Bundestages.
"Falls es einen Europaabgeordneten gibt, der seinen EU-Pensionsanspruch nicht dem Bundestag gemeldet hat, muss es sofort strafrechtliche Ermittlungen wegen Betrugsverdachts geben", findet Martin.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) lässt nun in der Tat genau diesen Verdacht untersuchen, und zwar auf der Basis der Mitgliederlisten des Fonds, die stern und stern.de publik gemacht haben. "Die Verwaltung des Deutschen Bundestages prüft die in Ihrer Berichterstattung von letzter Woche angesprochenen Sachverhalte“, sagte Lammerts Sprecher Guido Heinen bereits vergangene Woche zu stern.de
Dass die Bundestagsverwaltung diese Prüfung nicht schon früher unternehmen konnte, ist auch einer Parteifreundin von Lammert zu verdanken - der baden-württembergischen EU-Abgeordneten Ingeborg Grässle. Sie hatte sich persönlich Anfang 2008 gegen Forderungen eines spanischen Parlamentskollegen gewandt, die Liste der Fondsmitglieder öffentlich zu machen. Grässles Änderungsantrag setzte sich durch. Auf die Frage nach ihren Motiven bestritt die Christdemokratin zunächst und nicht ganz wahrheitsgemäß, die Nichtveröffentlichung verlangt zu haben, vertagte dann eine genauere Erläuterung, weil sie "im Moment nicht in Brüssel" sei – und hat sich seitdem nicht wieder gemeldet.