Im Zusammenhang mit dem tödlichen Gefecht in Afghanistan hat der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, der Bundesregierung vorgeworfen, aus dem Luftangriff von Kundus im September nicht die nötigen Lehren gezogen zu haben. Es gebe ein "Unverständnis über die Bedingungen vor Ort und eine Ignoranz der Notwendigkeiten für die Streitkräfte", sagte Kujat der "Welt am Sonntag". Für ihn habe bereits der von der Bundeswehr angeforderte Luftangriff vom 4. September Defizite offen gelegt. "Unsere Soldaten sind dort nur in diese Lage geraten, weil sie - wie so oft - nicht mit den nötigen modernen Aufklärungssystemen ausgerüstet sind", sagte Kujat, der von 2000 bis 2002 Generalinspekteur der Bundeswehr war.
"Die Taliban kennen das Gelände, sie sind überlegen. Das muss man doch irgendwie ausgleichen", kritisierte Kujat. Die Rebellen seien nach dem Luftangriff im September zunächst "geschwächt" gewesen. "Danach haben sie eine gewisse Zeit gebraucht, um sich in Szene zu setzen. Und genau das tun sie jetzt." In wenigen Wochen werde der nächste Anschlag dieser Art folgen, sagte Kujat. Um die Handlungen des Gegners besser einschätzen zu können, brauche die Bundeswehr ein vernünftiges Streitkräfte-, Führungs- und Informationssystem. Nach Aussagen der Industrie seien wesentliche Komponenten dafür bereits fertig - "nur die Ministerialbürokratie tut nichts", ergänzte Kujat.
Der Ex-Generalinspekteur, der von 2002 bis 2005 auch Vorsitzender des Militärausschusses der NATO war, kritisierte zudem, dass die deutschen Einsatzkräfte nicht in der notwendigen Zahl in Afghanistan stationiert seien. In der neuen Mandatsobergrenze von 4500 plus 500 Mann Reserve sieht er einen "Koalitionskompromiss, der nicht dem tatsächlichen operativen Bedarf entspricht". Nach dem jüngsten Bundestagsbeschluss erkenne er keine wirkliche neue Strategie. Mehr Ausbildung und weniger Kampftruppen, das sei der falsche Ansatz, sagte der ehemals ranghöchste deutsche Soldat.