Nach stern-Informationen Auswärtiges Amt kann Kritik von deutschem Pilger nicht nachvollziehen

Türkei: Auswärtiges Amt kann Kritik von deutschem Pilger offenbar nicht nachvollziehen
Der Pilger David Britsch in seiner Wohnung in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) nach seiner Rückkehr aus mehrmonatiger Haft in der Türkei (Archivbild)
© Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Rund neun Monate saß David Britsch in türkischer Untersuchungshaft - die Gründe sind bis heute völlig unklar. Der deutsche Pilger machte dem Auswärtigen Amt und Außenminister Sigmar Gabriel schwere Vorwürfe. Die Kritik kann man dort nicht nachvollziehen.

Die Kritik des rund neun Monate in der Türkei inhaftierten deutschen Pilgers David Britsch kann man beim Auswärtigen Amt nach stern-Informationen nicht nachvollziehen. Wie aus Kreisen des Außenministeriums zu erfahren war, habe man sich auf allen Ebenen und mit Nachdruck für dessen Freilassung eingesetzt - sowohl was den konsularischen Zugang als auch seine Ausreise aus der Türkei angeht. Britsch hatte sich in einem Interview mit dem Kölner "Stadt-Anzeiger" beschwert, die deutsche Botschaft habe mangelnden Einsatz gezeigt und sich von türkischen Behörden abspeisen lassen.

Nach stern-Informationen soll der Fall allerdings auch hochrangig gegenüber der türkischen Regierung angesprochen worden sein. Der Hintergrund der Verhaftung bleibt dagegen unklar. Ein politischer oder strafrechtlicher Hintergrund ist dem Auswärtigen Amt nach Informationen des stern nicht bekannt. Der 55-Jährige Pilger selbst vermutet im Kölner "Stadt-Anzeiger", dass ihm sein regierungskritischer Reise-Blog zum Verhängnis wurde. Die türkischen Behörden haben bisher keine Auskünfte zu den Gründen vorgelegt. 

Konsularischer Kontakt in der Türkei erst nach drei Monaten erwirkt

Britsch hatte dem "Stadt-Anzeiger" gegenüber erklärt, sich als politische Geisel der türkischen Regierung zu sehen. Und hatte in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe erhoben. Nach Informationen des stern hat es tatsächlich drei Monate gedauert - der Pilger wurde im April 2016 festgenommen - bevor die Bundesregierung im Juli konsularischen Kontakt zu Britsch erwirken konnte. Warum, ist unklar. Wie aus dem Umfeld des Auswärtigen Amts zu erfahren war, ist es zu drei Haftbesuchen in der 800 Kilometer von Ankara entfernten Abschiebeeinrichtung gekommen. Britsch hatte das als unzureichend kritisiert:  "Spätestens als ich nach sechs Monaten aus der Abschiebehaft hätte entlassen werden müssen, wäre der Zeitpunkt für eine viel massivere Intervention gekommen gewesen." Nach stern-Informationen gab es über die Haftbesuche hinaus mehrere Telefonate.

Desinteresse oder sogar politisches Kalkül?

Britsch hatte betont, "stärkeren Druck" vom Auswärtigen Amt erwartet zu haben, "weil die Türkei ganz offensichtlich gegen internationale Vereinbarungen verstoßen hat". Die Rede war daher auch von Desinteresse, gar politischem Kalkül: "Die Regierung weiß sehr genau, dass sie für mich nur einen Bruchteil dessen getan hat, was sie für andere politische Gefangene eingesetzt hat, und ich habe den Eindruck, dass Sigmar Gabriel das nicht an die große Glocke gehängt wissen will." 

Dieser Meinung ist man beim Auswärtigen Amt offenbar nicht. Dem Vernehmen nach stand die Anzahl der Besuche sowie seine konsularische Betreuung anderer, vergleichbarer Fälle in keiner Weise nach. Offenbar empfindet man Britsch' Telefonate mit der deutschen Botschaft oder seiner Familie auch nicht als "strikt reglementiert", wie der Pilger moniert hatte. Zahlreiche Telefonate sollen stattgefunden haben - zudem soll das Außenministerium im regelmäßigen Kontakt mit Britsch' Angehörigen gestanden haben.