Die CO₂-Emissionen in Deutschland sinken! Die Einsparziele werden erreicht! Aufatmen, Erleichterung! Wir können es ja doch! Mehr Kohlestrom? Egal. Größere Autos? Egal. Alles egal, die Emissionen sinken.
Naja, halt nicht wirklich.
Der Rückgang um 1,9 Prozent ist eine gute Nachricht, ja. Sie zeigt aber auch das große Problem der aktuellen Klimapolitik. Sie ist das Gegenteil von Innovation. Sie ist das Gegenteil von Technologieoffenheit. Sie ist das, was die FDP eigentlich mit aller Kraft verhindern müsste.
Uns hat in diesem Jahr die Industrie gerettet. In diesem Bereich wurden 2022 fast 20 Millionen weniger CO₂-Äquivalente ausgestoßen. Nicht durch effizientere Verfahren oder klimaschonende Maßnahmen, sondern schlichtweg durch den Einbruch der Produktion. Wie schon zum Ende der DDR oder in der Finanzkrise, immer wieder zeigt sich: Sinkt die Produktion, der wirtschaftliche Aufwand, sinken auch die Emissionen. Es ist das klassische Argument der Post-Wachstum-Prediger: Wenn wir bereit sind, aufs Wirtschaftswachstum zu verzichten, kommt die Klimaneutralität wie von allein.
Dem Klima ist ja egal, wieso die Emissionen sinken. Ihm ist es egal, ob weniger Verbrennerautos über Autobahnen brettern oder mehr Menschen in kalten Wohnungen hocken. Egal, ob Unternehmen ihre Produktion drosseln oder Inlandsflüge verboten werden. Dem Klima ist auch egal, ob ein Wald gepflanzt wird oder ein Haus saniert – solange nur die Emissionen sinken. Die FDP möchte die Emissionseinsparungen deshalb gerne Sektor-unabhängig erfassen. Heißt: Egal, in welchem Bereich wir einsparen, Hauptsache, wir erreichen das Ziel. Das klingt verlockend logisch.
Und ist verlockend einfach. Verkehrsminister Volker Wissing kann sich nämlich jetzt entspannt zurücklehnen, obwohl die Emissionen in seinem Sektor auch in diesem Jahr stark steigen, weil parallel die Wirtschaft einbricht, wird insgesamt das Klimaziel erreicht. Die Idee hat leider einen Haken: Uns kann das alles nicht ganz so egal sein wie dem Klima.
Es ist eine politische Entscheidung, wie wir Emissionen sparen
Aus zwei Gründen: Ohne das Klima ist zwar alles nichts, aber das Klima trotzdem nicht alles. Unsere Politik kann sich nicht nur daran orientieren, was Emissionen einspart, sie muss auch die Konsequenzen im Blick haben. Wenn die Industrie in Deutschland zugrunde geht – wer will da widersprechen – wäre das eine sehr schlechte Konsequenz. Andere fänden schlecht, wenn sich niemand mehr das Tanken leisten könnte, weil der Sprit so teuer würde. Andere fänden schlimmer, wenn Menschen sich das Heizen ihrer Wohnung nicht mehr leisten könnten. Wieder andere fänden es einen Eingriff in die Freiheit, wenn sie nicht mehr mit 150 Sachen über die Autobahn brettern dürften. Es handelt sich in all diesen Punkten um Entscheidungen. Sie müssen politisch getroffen werden. Man kann sie nicht einfach passieren lassen.
Zweitens werden diese Entscheidungen immer schwerer zu treffen sein. Wenn wir die Klimaziele in den nächsten Jahren erreichen wollen (und das sollten wir), dann müssen die Emissionen noch deutlich stärker sinken. Genauer: Ab sofort muss es jedes Jahr dreimal so schnell vorangehen. Es ist einfach keine Option, dass wir unsere Ziele erreichen, indem die Wirtschaft komplett zugrunde geht. Es wird auch nicht reichen, dass ein paar Häuser saniert werden oder ein Tempolimit eingeführt wird. Sparte man nur in einzelnen Bereichen, müssten die jeweiligen Maßnahmen mit der Zeit immer extremer werden. Würden sich alle zurücklehnen wie Volker Wissing und fortan allein seinem Ministerium die Erreichung der Klimaziele übertragen, wären wie ziemlich schnell bei Fahrverboten – und nicht sonntags.

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Deswegen muss der aktuelle Bericht aufrütteln - trotz vermeintlich positiver Botschaft. Er muss uns zeigen, dass wir uns in allen Bereichen verändern müssen, damit die Veränderungen in einem einzelnen Bereich nicht zu extrem, zu freiheitseinschränkend, zu brutal werden. Für die Industrie bedeutet das: Transformation. Mit Effizienz und Innovation. Damit wir die Erreichung unserer Klimaziele am Ende nicht mit dem Untergang deutscher Unternehmen bezahlen.