Und jetzt ... Django Asül Kohl, sein Mädchen und ein Buyout

Ein satirisches Geburtstagsständchen von Django Asül
Kohl wird 80, Merkel wird auch älter - und beide haben etwas gemeinsam: Ohne die SPD wären sie nie Kanzler geworden.

Helmut Kohl wird 80. Und es ist weder Staatsfeiertag in Deutschland noch Volkstrauertag bei den Linken. Stattdessen flüchtet Frau Merkel kurz vorher in die Türkei, um den Türken einmal mehr zu sagen, dass sie deutsch lernen sollen, falls sie in Deutschland sind. Und dass sie sich die EU-Mitgliedschaft in den Bauch reiben können, falls sie in der Türkei leben. Böswillige könnten meinen, dass die Kanzlerin partout nichts mit Helmut Kohl zu tun haben möchte. Schon gar nicht, wenn der Altkanzler seine Feiertage begeht.

So sieht Dankbarkeit 2.0 aus. Dass Angela Merkel heute nicht irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern in einem Labor sitzt und den vermeintlichen Urknall zu simulieren versucht, indem sie ionengemästete Kaulquappen aufeinander donnert, ist nur auf das beherzte Zupacken von Helmut Kohl anno dazumal zurückzuführen.

Dabei gibt es eine schöne Parallele zwischen Kohl und Merkel. Beide haben den Anfang ihrer Kanzlerschaft der SPD zu verdanken. Vor allem der SPD-Wählerschaft. Sowohl Herr Schmidt als auch Herr Schröder fielen erst in der Partei in Ungnade und dann auch beim Wähler. Irgendwann durfte Schmidt nicht mehr. Und Schröder wollte nicht mehr. Es war den Sozialdemokraten mehrheitlich egal, wer neuer Kanzler wird, solange es keiner aus der eigenen Partei ist. Ohne die SPD-spezifische Schizophrenie hätten es weder Helmut noch Angie auf den Kanzlersessel geschafft.

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Django Asül, 37

... ist einer der brillantesten deutschen Kabarettisten. Asül, der die türkische Staatsbürgerschaft hat, wuchs in der niederbayerischen Gemeinde Hengersberg auf, besuchte das Gymnasium in Deggendorf, absolvierte gemeinsam mit dem derzeitigen bayerischen SPD-Vorsitzenden Florian Pronold eine Banklehre - und begann danach mit dem Kabarett. Sein aktuelles Tourprogramm heißt "Fragil". Weitere Infos unter django-asuel.de.

2004 adelte ihn der damalige Staatsminister Erwin Huber, CSU, zum "Botschafter von Niederbayern".

Kohl ist der Kanzler der Einheit. Merkel ist Kanzlerin dank der Einheit. Dieser Makel nervt Merkel ohne Ende. Sie kann tun und lassen (in ihrem Fall hauptsächlich lassen), was sie will. Aber Kohl ein- oder gar überholen ist aussichtslos. Zumal Kohl als einziger Deutscher überhaupt das Double geschafft hat: 1990 Fußballweltmeister und Wiedervereinigung. Und Merkel 2010? Mit ein bisschen Pech Vorrunden-Aus bei der WM und komplexere Spesenabrechnungen dank intelligenter Mehrwertsteuersenkung für Hotels. Wer kann es da noch Merkel verdenken, dass sie Kohl meidet, wo es nur geht? Wie peinlich wäre es, wenn sie jetzt zu den ersten Gratulanten gehören würde? Das wäre wie wenn der Ersatztorwart von Hansa Rostock einem Lionel Messi zur Wahl zum Weltfußballer gratuliert.

Und so ganz nebenbei dämmert es Merkel schon längst, wie ihre zwei Amtszeiten in der Weltgeschichte landen werden. Schwarzrot als Epoche des Zauderns und Schwarzgelb als Epoche des Zankens. Dagegen direkt wehren kann sie sich nicht. Das entspräche auch nicht ihrem Typus. Kaum ist Frau Merkel mal im Ausland, tanzen die Mäuse auf den Tischen. Ist sie wieder im Lande, wird eben auf dem Boden weiter getanzt. So etwas nagt am Selbstvertrauen. Und Obama nimmt sie sowieso nicht für voll. Während Kohl mit den Reagans und Bushs Saumagengelage exerzierte, versucht Merkel, die Distanz der Mächtigen als Respekt zu deuten. Mit dieser Wahrnehmung verdrängt Merkel mehr Realität als die Titanic seinerzeit Wasser. Gut, Sarkozy knutscht sie gern ab. Aber der Franzose liegt im Seriösitätsranking auch bloß irgendwo zwischen Berlusconi und Ghaddafi.

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Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Und doch hat es sich Frau Merkel vorgenommen, den Jubilar Kohl zumindest punktuell zu übertrumpfen. Sie war das junge Nachwendemädchen im Kabinett Kohl, das niemand ernst nahm. Ressort Umwelt. Für Kohl so wichtig wie das Ressort Familie für Schröder. Oder das Ressort Umwelt (sic!) für Merkel. Doch mit dem neuen Haushaltsentwurf stellt Merkel Kohl endgültig in den Schatten. Bei so einer Neuverschuldung wäre selbst Kohl schlecht geworden. Wenn es um einen persönlichen Triumph geht, schubst Bundes-Angela gerne mal den Steuerzahler an den Rand des Abgrunds.

Aber ging es nicht Kohl auch um den persönlichen Triumph, als er im Schnelldurchlauf die deutsche Einheit durchboxte? Kohl zeigte sich dem Lauf der Geschichte gegenüber dankbar. Er wusste: Dank dem ideellen und wirtschaftlichen Bankrott der DDR konnte er sich aufschwingen zu ungeahnten Höhen. Eine Übernahme der DDR zu Lasten des Steuerzahlers war für Kohl durchaus legitim. In der Wirtschaft nennt man so etwas einen Buyout. Ein Unternehmen kauft ein anderes und bürdet den Kaufpreis dem Verkauften auf. Der Käufer steht sauber da. Und so wurde die DDR verkauft und gleichzeitig Gesamtdeutschland im wahrsten Sinne des Wortes verkohlt.

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Leider stand Kohl nicht ganz so lange wie geplant sauber da. Die Spendenaffäre hat ihm eine kleine Delle in die Biographie geschlagen. Aber so schlimm kann das nicht sein. Schließlich war bei der Parteispendengeschichte schon Schäuble mit an Bord. Und der ist heute Finanzminister. Kohl kann also als rehabilitiert gelten. Selbst beim politischen Gegner gilt er als großer Europäer.

Die EU war eine große Vision zu Kohls Zeiten. Frau Merkel hingegen ist wieder mal zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. In ihrer Regierungszeit ist die EU bestenfalls eine Provinzposse. Vielleicht verweigert sie deshalb den Griechen Direkthilfen. Insgeheim baut sie womöglich auf einen Staatsbankrott Griechenlands, um sich dann auf die Trümmer der Konkursmasse eines anderen Landes zu stellen. Wie Kohl anno 1989.