Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger hat angesichts der neuen gewaltsamen Unruhen vor einer Idealisierung des arabischen Frühlings gewarnt. "Ich habe den arabischen Frühling nie so wahrgenommen, wie er in weiten Teilen der westlichen Welt und der Medien gesehen wurde," sagte Kissinger der "Bild-Zeitung" laut Vorabbericht.
In Ägypten hätten 75 Prozent der Wähler für Muslimbrüder und radikale Islamisten gestimmt, so der 89-jährige Friedensnobelpreisträger. "Das bedeutet nicht, dass man keine guten Beziehungen zu Ägypten haben kann - das war und ist im Interesse beider Staaten. Dennoch leben wir nicht unbedingt in der gleichen Wertegemeinschaft."
Kissinger wies weiter darauf hin, dass die Entwicklung in der arabischen Welt hin zur Demokratie "ein sehr langsamer Prozess" sei: "Es ist so gut wie unmöglich, dass aus politischen Parteien, die das Scharia-Recht verteidigen, demokratische Parteien werden", sagte er.
"Das ist das Dilemma, das wir im Moment haben, da dürfen wir uns nichts vormachen. Wenn man darauf besteht, dass Staat und Religion identisch sind, ist es fast unmöglich, dass sich andere Meinungen entfalten können."