In einem beispiellosen Kraftakt hat Bundeskanzler Gerhard Schröder die rot-grüne Koalition hinter sich gebracht. Der Bundestag sprach dem Regierungschef am Freitag mit knapper Mehrheit das Vertrauen aus und machte gleichzeitig den Weg für den Einsatz von 3.900 deutschen Soldaten im Anti-Terror-Kampf frei. Die beiden von Schröder verknüpften Anträge erhielten 336 Stimmen und damit nur zwei mehr als die erforderliche »Kanzlermehrheit«.
Die Grünen hatten sich erst unmittelbar vor der Plenarsitzung auf ihr Abstimmungsverhalten festgelegt. Vier der ursprünglich acht Gegner des Bundeswehreinsatzes schwenkten um und entschieden sich für ein positives Votum. Die anderen vier blieben bei ihrer ablehnenden Haltung. Die 293 SPD-Abgeordneten wollten den Kanzler geschlossen unterstützen. Die Einsatz-Gegnerin Christa Lörcher war am Vortag aus der Fraktion ausgetreten. Die Opposition hatte vor der Abstimmung angekündigt, geschlossen gegen die Anträge zu stimmen.
Verknüpfung von Vertrauens- und Sachfrage
In der Debatte hatte Schröder die Verknüpfung von Vertrauens- und Sachfrage damit verteidigt, dass es um die Verlässlichkeit deutscher Politik gehe. Für eine Entscheidung von solcher Tragweite sei es unabdingbar, dass sich Kanzler und Regierung auf eine Mehrheit der eigenen Koalition stützen könnten. Er habe kein Verständnis für diejenigen, die von einer
Einschränkung der Gewissensfreiheit der Abgeordneten sprächen. Außenminister Joschka Fischer warb für eine präventive Politik, zu der als »Ultima Ratio« aber auch der Einsatz von Militär gehöre.
Wie er setzte sich auch Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller für eine Fortsetzung der Koalition ein und berief sich auf gemeinsame Überzeugungen: »Diese Koalition hat noch immer einen großen Vorrat an Gemeinsamkeiten.« SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte, die eigene Mehrheit der Regierungskoalition sei in solchen Fragen »unerlässlich«. Es sei »nicht nur das Recht, sondern die Pflicht des Kanzlers«, sich dieser Mehrheit zu versichern.
Opposition sieht Ende der Koalition
Die Opposition prognostizierte ungeachtet des Abstimmungsergebnisses das Ende der Koalition. »Der heutige Tag ist der Anfang vom Ende der Regierung Gerhard Schröder«, sagte Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU). CSU-Landesgruppenchef Michael Glos warf Schröder Erpressung vor und sprach von einem »verlogenen Ergebnis«. Die Zeit der rot-grünen Koalition sei abgelaufen. FDP-Vorsitzender Guido Westerwelle nannte die Abstimmung den »Abgesang einer sterbenden Koalition« und forderte eine Neuwahl. Das Regierungsbündnis werde nur noch durch »Einschüchterung und Erpressung« am Leben gehalten. Fraktionschef Roland Claus sprach von »Irreführung der Öffentlichkeit und Nötigung des Parlaments«.
Beschluss ermöglicht Einsatz deutscher Soldaten
Der Beschluss ermöglicht den Einsatz von 3.900 deutschen Soldaten aller Waffengattungen zur Unterstützung der USA im Kampf gegen den Terror. Kampfflieger und Bodentruppen sollen allerdings nicht bereitgestellt werden. Ort und Zeitpunkt des Einsatzes sind noch offen.
Die Vertrauensfrage ist damit zum vierten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gestellt worden. Zwei Mal folgte ihr eine Neuwahl (Willy Brandt 1972 und Helmut Kohl 1982), zwei Mal sprach das Parlament dem Kanzler das Vertrauen aus (Helmut Schmidt 1982 und Gerhard Schröder 2001).