Türkische Politiker in Deutschland Lasst sie reden!

Recep Tayip Erdogan und seine Minister: Warum lassen wir sie nicht einfach reden?
Recep Tayip Erdogan und seine Minister: Warum lassen wir sie nicht einfach reden?
© Nicholas Kamm, Adem Altan, Ozan Kose/AFP PHOTO
Was tun mit Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland? Das bloße Verhindern durch Polizei und Feuerwehr wirkt kleinkariert. Warum nicht auf die Kraft unserer Demokratie vertrauen?

Ist das alles wirklich klug? Ja, Erdogan ist ein Autokrat, der Journalisten einkerkert und die freie Presse abgeschafft hat. Natürlich, sein Referendum, mit dem er sich auf Lebenszeit zum Sultan am Bosporus machen will, sorgt bei jedem Demokraten für Abscheu. Und die Tatsache, dass er und seine Minister hierzulande bei ihren Landsleuten für die Einführung des Präsidialsystems trommeln, ist nur schwer erträglich.

Allein: Die derzeitige Praxis, Feuerwehr und Polizei vorzuschicken, um mit Brandschutzauflagen oder dem Hinweis auf zu wenige Parkplätze die Auftritte von türkischen Ministern zu verhindern, ist bigott und kleinkariert. Wie belastbar ist unser vielgelobtes Wertesystem eigentlich, wenn es sich hinter bürokratischen Auflagen kommunaler Bürohengste verstecken muss? Und warum beschleicht einen der Verdacht, dass die Sache mit dem Brandschutz womöglich nicht zu einer Absage geführt hätte, wenn statt des türkischen Außenministers der Hintertupfinger Heimatverein zum bunten Abend geladen hätte?

"Einer demokratischen Gesellschaft nicht würdig"

Es ist dieses Bigotte, das irritiert. Man hat nicht den Mut, die Auftritte mit allem Nachdruck zu kritisieren, sondern flüchtet sich darin, sie bloß zu verhindern oder zu verkomplizieren. "Das ist einer demokratischen Gesellschaft wie der deutschen Gesellschaft nicht würdig", sagt der frühere Europa-Abgeordnete der Grünen, Daniel Cohn-Bendit. Und hat Recht damit.

Natürlich ist es viel einfacher, den türkischen Meinungsunterdrückern trotzig den Mittelfinger zu zeigen und schadenfroh zuzusehen, wie Provinz-Bürgermeister deren Werbetour ausbremsen. Aber demokratisch ist es nicht. Im Gegenteil: Jede fadenscheinige Verhinderung eines Auftritts sorgt dafür, dass sich Erdogan und seine Gefolgsleute als Opfer stilisieren können. Jede Absage gewährt ihnen einen leichten Sieg und lässt zu, dass ausgerechnet jene, die am Bosporus Journalisten ins Gefängnis stecken, die Demokratien Westeuropas der Repression bezichtigen können.

Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden

Sicher, es wirkt befremdlich, wenn man ausgerechnet jenen, die die Demokratie abschaffen wollen, ein Forum gibt. Und ich gebe zu, mir ist auch unwohl bei der Vorstellung, womöglich in der "Tagesschau" einem Anti-Demokraten wie Erdogan dabei zusehen zu müssen, wie er in Köln, Frankfurt oder Berlin vor einer vollbesetzten Arena seine Anhänger aufputscht. Aber ich habe auch gelernt: Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden. Auch und gerade, wenn es schwer fällt.