Er hatte schon immer ein Leben neben der Politik - und als Jurist kann sich Gregor Gysi aussuchen, für welche Mandanten er arbeitet. Wenn er demnächst als Fraktionschef der Linken aufhört, wolle er - so sagte er es kürzlich dem stern - seinen "Anwaltsberuf ausbauen". Aber zum Glück sei er ja "jetzt in einem Alter, in dem ich nicht mehr alles machen muss".
Umso interessanter erscheint, auf welche Nebenjobs Gregor Gysi keinesfalls verzichten möchte. Dazu zählte jüngst die Vertretung eines schillernden Leipziger Immobilienunternehmers namens Oliver Bechstedt. Gysi, der Anwalt, versuchte ihm zu helfen, sich die Rechte an einem 110 Hektar großen Grundstück in Potsdam zu sichern, das wie ein Symbol für den Immobilienfilz in der brandenburgischen Landeshauptstadt steht: das Kasernengelände von Krampnitz.
Gregor Gysi soll die Beute sichern
Es war der stern, der vor fünf Jahren enthüllt hatte, dass das Land Brandenburg dieses Terrain zu einem ungewöhnlich günstig erscheinenden Preis an eine Firmengruppe um den Hannoveraner Anwalt Ingolf Böx verkauft hatte. Die stern-Recherchen trugen zum Rücktritt des verantwortlichen Ministers bei und führten zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Seitdem versucht das von der Linkspartei geführte Landesfinanzministerium, den Verkauf des Krampnitzer Geländes rückgängig zu machen - und damit den Böx-Firmen ihre Erwerbung wieder zu entreißen.
Während sich beide Parteien noch vor Gericht streiten, hat freilich der Eigentümer gewechselt: Seit Herbst 2014 gehören die Krampnitz-Firmen des Ingolf Böx zum Unternehmensreich von Oliver Bechstedt. Um sich die Beute zu sichern, hat der nun ausgerechnet Gregor Gysi eingespannt.
Am 22. Juni wandte sich Anwalt Gysi in gleichlautenden Schreiben an seinen Parteifreund, den Landesfinanzminister Christian Görke, sowie an den Oberbürgermeister der Stadt Potsdam. Im Auftrag von Bechstedt bat Gysi um "ein Gespräch", um den Konflikt zu lösen. Freilich, so Gysis Bedingung, müsse das Land dafür zunächst die Bechstedt-Firma GGH AG "als Eigentümerin" anerkennen.
Das klingt nach Lobbyismus
In der Linkspartei dürften sich einige wundern, dass ihre Gallionsfigur ausgerechnet jemanden wie den Leipziger Unternehmer vertritt. Der konzentriert sich geschäftlich auf die Sanierung von Altbauten und die Verwertung notleidender Kredite.
Auffällig ist auch, dass Gysi in Bechstedts Auftrag als eine Art Türöffner für Gespräche auftrat. Also nicht eher eine Lobbytätigkeit? Bereits vor zwei Wochen hatte der stern darüber berichtet, wie Gysi eine andere Immobilienfirma namens Eureka zu einem Termin im brandenburgischen Finanzministerium begleitet hatte - die dann zusammen mit einem Partner den Zuschlag für den Kauf des ehemaligen Potsdamer Landtagsgebäudes bekam. Die Landes-CDU witterte sogleich den "Verdacht linker Vetternwirtschaft". Doch Gysi wies jeden Verdacht zurück, seine parteipolitischen Beziehungen genutzt zu haben. Mit dem Minister selbst, seinem Parteifreund Görke, habe er in dieser Sache nie gesprochen. Anders nun im Fall Krampnitz: Da suchte Gysi aktiv den Kontakt zu Görke.
Zu Gesprächen sei es nicht gekommen
Doch hier spielen nun - nachdem der stern angefragt hatte - alle Beteiligten die Sache runter. Zu irgendwelchen Gesprächen zwischen Gysi und dem Finanzminister sei es nicht gekommen, versichern beide übereinstimmend. Gysi beteuert erneut, dass das Ganze nichts mit parteipolitischen Beziehungen zu tun habe und ihn sein Mandant im Übrigen "nicht von der Schweigepflicht befreit" habe. Folgt man Bechstedt, dann besteht gar "kein laufendes Mandatsverhältnis zu Herrn Gregor Gysi". Dessen Tätigkeit habe "ohnehin nur in dem Versand eines Schreibens" bestanden.
Außer Porto also nichts gewesen? In der Tat ließen die Brandenburger offenkundig Bechstedt und seinen Helfer auflaufen. Das Ministerium, so eine Sprecherin zum stern, habe nicht die Absicht, mit dem Leipziger Unternehmer einen Vergleich zu schließen und betrachte Gysis Vorschläge daher "als gegenstandslos".
Doch kein Robin Hood
Der Fraktionschef und Anwalt fühlt sich seinerseits ungerecht behandelt - vom stern. Gysi spricht von "Bösartigkeit" und "Voreingenommenheit" und beschwert sich darüber, dass man allen Ernstes "bestimmte Qualitätsmaßstäbe" an seine Mandanten stelle. Dabei habe einfach jeder Mensch "einen gesetzlichen Anspruch auf anwaltliche Vertretung".
Als der Linken-Politiker jüngst mit dem stern über seine Anwaltsjobs sprach, klang es noch ein bisschen anders. Da stellte sich Gysi als eine Art Robin Hood dar: Wenn sich eine kleine Firma gegen eine große Firma wehre, dann sei er als Vertreter "sehr geeignet".
Gysis neue Botschaft klingt eher so, als sei er irgendwie immer geeignet. Und sei es nur, weil er halt mal einen Brief verschicken soll.