Eines muss sich der CDU-Politiker Thomas Bareiß vorhalten lassen: Er ist spät dran mit seiner Forderung nach einer Helmpflicht für Radfahrer. Normalerweise kommt die mit der ersten Frühlingssonne und nicht erst Mitte August. Die Motive sind dabei sehr unterschiedlich. Da die Unschuldsvermutung auch für den verkehrspolitischen Sprecher der Unionsfraktion gilt, muss davon ausgegangen werden, dass er nur die Gesundheit der Radfahrer im Sinn hat und jeden Gedanken an die Autoindustrie seiner baden-württembergischen Heimat komplett ausblendet. Aber letztlich geht es darum, wem die Straße gehört.
Gehört sie vor allem den Autos – und die Radfahrer schützen sich idealerweise mit Helm, Schutzweste, grellen Strahlern und Gebeten an ihren jeweiligen Gott? Oder gehört ein ordentliches Stück den Radfahrern, die die Mobilitätswende in der Stadt vorantreiben? Dazu brauchen sie eine funktionierende Infrastruktur, die eben nur auf Kosten des Platzes für Autos geschaffen werden kann. "Früher oder später müssen wir über eine Helmpflicht in Deutschland sprechen", sagte Bareiß der "Welt". Das ist falsch.
Wir müssen jetzt über neue Radwege sprechen.
Wer eine Helmpflicht einführt, der treibt die Leute weg vom Rad
Und wenn die fertig sind, Herr Bareiß, schützen sich die Radfahrer gewissermaßen gegenseitig. Denn in einer Stadt voller Radfahrer schaut jeder Autofahrer, ob er etwa rechts abbiegen kann, ohne einen zu gefährden. In der Fahrradstadt Amsterdam trägt fast niemand Helm. In Kopenhagen ist der Radverkehr so dicht, dass ihn wirklich kein Autofahrer übersehen kann. Wer aber eine Helmpflicht einführt, der treibt die Leute weg vom Rad. Leihräder würden komplett unattraktiv. Die braucht aber jede Stadt. Außerdem würden viele, bei denen der Helm die Frisur ruiniert, statt wie bei mir die Glatze warmzuhalten, für immer absteigen. Das alles ist lange bekannt und wenig originell. Es ändert auch nichts daran, dass es selbstverständlich sinnvoll ist, einen Helm auf dem Rad zu tragen. Nichts spricht dagegen, wenn Verkehrspolitiker dafür werben.
Aber merkwürdig ist es schon, wenn neue Vorschriften ausgerechnet von denen vorgeschlagen werden, die anderswo auf mehr Eigenverantwortung setzen. Auf seiner Homepage schreibt Bareiß übrigens über seinen Wahlkreis, es sei "auch im Interesse der heimischen Wirtschaft – entscheidend, dass die vorhandenen Bundesstraßen bedarfsgerecht ausgebaut werden". Vielleicht wäre das wirklich sinnvoll. Und hoffentlich gibt es neben den bedarfsgerecht ausgebauten Bundesstraßen dann einen durch einen Grünstreifen abgetrennten Radweg, der sich gefahrlos mit und ohne Helm befahren lässt.