Gestern in der Talkshow "Anne Will" ging es um Heizungen, und Sie, Herr Dürr, waren einmal wieder Gast. Die Frage stand im Raum, ob Wirtschaftsminister Robert Habeck den Deutschen zu viel zumutet, weil er verlangt, dass alle neuen Heizungsanlagen ab 2024 zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben werden müssen. Sie, Herr Dürr, dachten offenbar: Heizen kann doch jeder und deshalb auch mitreden – und ließen sich einladen. Dann dampfplauderten Sie los in Ihrem unverwechselbaren "Da-müssen-wir-uns-jetzt-mal-ehrlich-machen"-Ton und traten für "Technologieoffenheit" ein. Und wenn es mal nicht so lief in Ihrem Sinne, dann forderten Sie einen Faktencheck.
Im Grunde läuft es bei der Wärmepumpe ab wie beim Kühlschrank – nur umgekehrt
Den liefern wir an dieser Stelle, denn gleich zu Anfang der Show schossen Sie eine absurde Aussage in den Äther, die mich fragen ließ: Weiß Herr Dürr eigentlich, wovon er spricht? Zunächst wiesen Sie richtigerweise darauf hin, dass der fossile Anteil im Strommix wegen des russischen Angriffskriegs gestiegen sei, weil mehr Kohlekraftwerke am Netz seien (trotzdem liegt der Grünstromanteil übrigens weiter bei 50 Prozent). Dann aber schoss es aus Ihnen heraus: "Wenn Sie zurzeit eine Wärmepumpe einbauen, dann wird die nicht mit 65 Prozent Erneuerbaren laufen können über das Stromnetz, weil so viel ist gar nicht da. Da müssen wir uns ehrlich machen."
Diese Behauptung ist, mit Verlaub, Koks. Deshalb mein Angebot, Ihnen die Funktion einer Wärmepumpe kurz zu erklären. Im Grunde läuft es bei ihr ab wie bei Ihrem Kühlschrank daheim, nur umgekehrt. Der Kühlschrank entzieht den Waren im Innenraum Wärme und führt diese in die Umwelt ab. Die Wärmepumpe entzieht der Umwelt (Luft, Erdreich, Grundwasser) klimaneutrale Wärme und führt sie dem Heizwasser zu. Technisch funktioniert das in der Regel durch verdampfen, verdichten, komprimieren und entspannen – aber diese technischen Details müssen Sie als Ökonom gar nicht interessieren.
Wichtig ist: Man muss den Prozess mit Strom quasi in Gang setzen und erhält am Ende ein Vielfaches als Wärmeenergie fürs mollig warme Heim zurück. Aus einer Kilowattstunde Strom entstehen bei modernen Anlagen durch Umgebungswärme vier Kilowattstunden Heizwärme, bei den neuesten Modellen sind es sogar fünf Kilowattstunden. Man nennt diesen Faktor "Jahresarbeitszahl". Anders ausgedrückt: Selbst wenn der Strom ausschließlich aus Kohlekraftwerken käme, wäre die Wärmeversorgung im Alltagsbetrieb zu 75 Prozent oder mehr klimaneutral.
Wir alle müssen lernen umzudenken
Wenn ich Ihnen zuhöre, Herr Dürr (und die Gelegenheit gibt es ja häufig wegen Ihrer häufigen Fernsehpräsenz), dann frage ich mich manchmal: Warum tritt die FDP, die sich gern zukunftsgewandt gebärdet, in Ihnen nur so mutlos, fast gestrig auf? Henry Ford, der die Kutsche durch das Auto verdrängen konnte, hat gesagt: "Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde." Im übertragenen Sinne wollen auch Sie immer nur schnellere Pferde statt Autos. Das zeigte sich nicht nur bei der Wärmepumpe, sondern auch bei Ihrem gestrigen Einsatz für künstlichen Sprit, genannt E-Fuels. Sie konstatierten sogar, die Automobilbauer der Welt setzten darauf – obwohl nahezu alle ihre Zukunft gerade auf den viel effizienteren, umweltschonenderen Batterieantrieb ausrichten.
Wir leben alle in einer kritischen Phase, in der wir Menschen umzudenken lernen müssen, um den menschlichen Anteil des Klimawandels zu verringern. Es gibt sehr gute technische Möglichkeiten, das zu schaffen. Verunsicherung durch Dampfplauderei in populären Talkshows ist dabei nicht hilfreich. Sie werden das Zitat des spätrömischen Gelehrten Boëthius kennen: "Si tacuisses, philosophus mansisses." Auf Deutsch: "Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben."