Nichts in Florenz ist so schön wie ein McDonald?s", jubelt der Pop-Star mit der weißblonden Perücke. "Amerika ist einfach das Allerschönste", befindet er: "Das Einkaufen ist viel amerikanischer als das Denken. Amerikaner sind am Verkaufen nicht interessiert - sie schmeißen lieber etwas raus, als dass sie es verkaufen. Was sie wirklich gerne tun, ist kaufen - Leute, fremde Währungen, Länder."
So spricht Andy Warhol, Amerikas Großapostel des Massenkonsums und Meister der Kommerzkünste. Er beginnt als Grafiker, macht weiter als Maler, Filmemacher, Theatermann, Musikproduzent und Zeitschriftenverleger, wird zum Papst der Pop-Art, zum Underground-Provokateur, zum Großvater der Punkbewegung, zum Idol der Reichen und Schönen - und zum berühmtesten amerikanischen Künstler des 20. Jahrhunderts.
Kaffeebüchsen und Cola-Flaschen
Anfang 1962 malt der 1928 geborene Sohn slowakischer Einwanderer erst mal fleißig "Campbell's"-Dosen. Als die 32 Bilder für 100 Dollar pro Stück reißenden Absatz finden, nimmt sich Warhol weitere Konsumartikel vor: Kaffeebüchsen etwa oder Cola-Flaschen. Zunächst stellt er Dias von ihnen her, projiziert sie auf eine Leinwand und pinselt sie ab. Bald produziert der Geschäftstüchtige seine Bilder in Minutenschnelle per Siebdruck, und als am 4. August 1962 Marilyn Monroe Selbstmord begeht, fertigt er rasch eine grelle Porträt-Serie der legendären Schauspielerin. "Andy war Pop", so der New Yorker Kunst-Mäzen Henry Geldzahler, "und Pop war Andy." 60 000 Dollar bringt sein Bild "Campbell-Suppendose mit sich lösendem Etikett" bereits 1962.
Warhol, homosexuell, immer auf Publicity bedacht und ständig mit Amphetaminen aufgeputscht, geht jetzt jede Nacht in Manhattan auf eine Party. Er beeindruckt Gesellschaftsdamen und schart in seiner "Factory" an der 47. Straße junge Talente um sich - manche drogensüchtig. 1963 kauft er für 1200 Dollar eine Acht-Millimeter-Bolex-Kamera und dreht damit provokante, teils auch pornografische Filme wie "Trash", "Blow Job" oder "Flesh", der allein in Deutschland drei Millionen Zuschauer hat.
Darsteller wie Joe Dallesandro oder Ultra Violet gabelt Warhol in der Szene auf und ernennt sie zu "Superstars". Schön und ziemlich schräg müssen seine Favoriten sein, wie die deutsche Sängerin Nico, die er zur Frontfrau seiner Rockband "The Velvet Underground" macht.
Make Money, not Love
Mitte der 60er Jahre ist die "Factory" mit ihrem silbergespritzten Interieur eine weltweit bekannte Kultstätte, und die Fans, so der Kunsthändler Leo Castelli, begegnen Warhol "mit höllischem Geschrei", "das ist wie bei den Beatles". Doch der Mann mit dem bleichen Steingesicht wird auch zur Hassfigur. Die Getreuen nennen ihn nun "Drella", eine Wortmixtur aus Dracula und Cinderella, und klagen über schlechte Bezahlung. Als Superstar Edie Sedgwick dem Selbstmord nahe ist, hämt Warhol: "Hoffentlich gibt sie mir vorher Bescheid, damit ich?s filmen kann." Des Meisters Sprüche werden immer seltsamer: "Andere haben eine Frau", sagt er, "ich bin mit meinem Taperecorder verheiratet." Am 3. Juni 1968 jagt ihm eine seiner Schauspielerinnen, die Ultra-Feministin Valerie Solanas, drei Kugeln in den Leib, doch der Getroffene überlebt.
Das Attentat macht Warhol noch berühmter. Er wird in den 70ern zum Darling des internationalen Jet-Sets, verehrt von Größen wie Mick Jagger oder Liza Minnelli. Auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs entwirft er ein Wahlplakat für die Demokraten; unter Präsident Jimmy Carters Ägide ist er ein gern gesehener Gast im Weißen Haus. Gegen Ende seines Lebens wird das Pop-Genie freilich immer konservativer. Der 60er-Jahre-Parole "Make love, not war" zum Trotz steht auf der Titelseite seines "Interview"-Magazins ein Spruch, der zum Motto der aufkeimenden Yuppie-Generation wird: "Make money, not love". Zuletzt sucht er gar die Gesellschaft des dubiosen Schahs von Persien und der philippinischen Despotin Imelda Marcos.
Bis ins Grab hinein ist Andy Warhol exzentrisch. "Vergesst bei der Beerdigung meine Perücke nicht", befiehlt er kurz vor seinem Tod im Jahr 1987, "und setzt mir meine Sonnenbrille auf, bevor der Sargdeckel zugeht."