Als der österreichische Außenminister Leopold Figl am 15. Mai 1955 auf den Balkon des Wiener Schlosses Belvedere trat, brach unter den Tausenden wartender Landsleute Jubel aus. Mit den Worten "Österreich ist frei!" überbrachte Figl die Nachricht von der Unterzeichnung des Staatsvertrages mit den vier Alliierten, der seinem Land zehn Jahre nach Kriegsende die vollständige Unabhängigkeit zurückgeben sollte.
Die Unterzeichnung des rund 150 Seiten umfassenden Abkommens, das von der Sowjetunion immer wieder verzögert worden war, wird am kommenden Sonntag nicht umsonst in ganz Österreich zum zentralen Jubelfest des an historischen Jahrestagen überreichen Gedenkjahres 2005. Schließlich beendete das Vertragswerk zehn Jahre der eingeschränkten Souveränität für die Regierung in Wien und ebnete den Weg für eine stabile demokratische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes.
Der Weg zum Abschluss des Abkommens war lang und mühsam. Obwohl die Kriegsalliierten schon 1943 in Moskau festgelegt hatten, dass Österreich als unabhängige Demokratie wieder errichtet werden sollte, und obwohl Moskau gegenüber Wien schon frühzeitig auf Reparationen verzichtet hatte, dauerten die Verhandlungen ab 1947 letztlich mehr als sieben Jahre. Sie wurden zunehmend durch den Kalten Krieg zwischen den USA und Russland blockiert.
Provisorische Regierung
Anders als Deutschland betrachtete Moskau Österreich nach dem "Anschluss" an das Reich 1938 nicht als Feindesland. Österreich sollte nicht - wie das besiegte Deutschland - zerschlagen werden. Und so förderte die sowjetische Armeeführung auf Anordnung Stalins von Anfang an die Gründung einer provisorischen österreichischen Regierung unter dem ehemaligen Kanzler der Ersten Republik, Karl Renner. Die "Zweite Republik" Österreich wurde am 27. April 1945 ausgerufen, ganze zwei Wochen nach dem sowjetischen Einmarsch in Wien.
Doch obwohl sich die vier Alliierten USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich schon im Juni 1946 auf die "Prüfung der österreichischen Frage" geeinigt hatten, brauchte es weitere 260 Verhandlungstage bis zum Vertragsabschluss durch die Außenminister der vier Alliierten und Österreichs.
Die Fronten verhärten sich
Immer wieder droht der vollständige Abbruch durch Moskau. Aber auch Washington "mauert" und verzögert das Zustandekommen des Abkommens. Die Fronten verhärten sich zunehmend. In Deutschland wird 1949 die Teilung durch die Gründung zweier Staaten zementiert. Ereignisse wie die kommunistische Machtübernahme in China und die Zündung der ersten sowjetischen Atombombe vergrößern die Kluft zwischen Moskau und dem Westen.
Nach dem Tod Stalins nehmen die vier Außenminister der Alliierten zwar im Januar 1954 nach fünfjähriger Pause erstmals wieder ihre Beratungen auf. Eine Einigung bei Gesprächen in Berlin scheitert jedoch an der Kreml-Forderung, die alliierten Truppen aus Österreich erst nach Abschluss eines Friedensvertrags mit Deutschland abzuziehen. Schließlich lenkt Moskau 1955 unter Nikita Chruschtschow ein. Im April reist eine österreichische Regierungsdelegation zu abschließenden Verhandlungen nach Moskau. Die Unterschrift der alliierten Außenminister und Figls besiegeln den "Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreichs".
Bündnisneutralität
Das Abkommen regelte unter anderem die Beendigung der alliierten Kontrolle, die Aufrechterhaltung der Demokratie sowie den Besitz von Spezialwaffen. Es verbot nationalsozialistische Organisationen und einen erneuten Anschlusses an Deutschland. Überraschenderweise war die österreichische Bündnisneutralität nicht unmittelbarer Bestandteil des Vertrags. Sie war zwar Verhandlungsgegenstand, wurde aber erst im Oktober 1955 vom österreichischen Nationalrat beschlossen.
Österreich wurde souverän. Nur fünf Monate nach der Vertragsunterzeichnung verließen die Besatzungstruppen das Land und am 14. Dezember 1955 wurde Österreich in die Vereinten Nationen aufgenommen. Österreich war frei.