Stern-Chefredakteur Wir müssen klar aussprechen: Der Terror der Hamas war der tödlichste Angriff auf Juden seit dem Holocaust

Das aktuelle stern-Cover: Tage des Terrors. Horror in Isreal, Pulverfass Nahost und Endloskrieg in der Ukraine: Wer stoppt die Gewalt?
Das aktuelle stern-Cover: Tage des Terrors. Horror in Isreal, Pulverfass Nahost und Endloskrieg in der Ukraine: Wer stoppt die Gewalt?
© stern
Chefredakteur Gregor Peter Schmitz blickt in das neue stern-Magazin. Diese Woche beschäftigt ihn besonders der Angriff der Hamas auf Israel.

Israel ist nicht einfach ein Land, es ist nicht einfach ein Staat, es ist eine Idee. Es will seinen Bewohnerinnen und Bewohnern Heimat sein, aber es verspricht mehr: Sicherheit. Das ist das Gelübde, welches die Zionisten nach dem Holocaust geben wollten. Dieses Urversprechen müssen wir alle, gerade wir Deutschen, mitdenken, wenn wir die furchtbaren Bilder aus Israel sehen, von Terroristen, die nicht nur Grenzen stürmen, sondern Familien die Kinder entreißen, entführen, ja ermorden. Es ist ein Schock, der das kleine Land dauerhaft verändern wird, selbst wenn militärisch Israels Sieg außer Frage stehen sollte, so viel mächtiger ist die israelische Armee mittlerweile, so viel größer die Unterstützung vor allem durch die USA. Wenn sich Jüdinnen und Juden ihres Lebens nicht mehr sicher sein können in Israel, was dann? Daran zu erinnern verschweigt nicht die dunklen Seiten des Landes. Jeder aufgeklärte Kopf denkt diese mit. Der israelische Schriftsteller David Grossman hat schon vor Jahren gesagt: "Israel ist schmerzhaft für uns." Weil man bei aller Größe und bei allen Leistungen auch den "Schmerz seiner Verzerrung spüre", die aktuelle Regierung dort lebt diese dunklen Seiten leider täglich vor.

Nun ist aber nicht die Zeit für Relativierung oder Aufrechnung. Wir müssen klar aussprechen: Der aktuelle Terror der Hamas war der tödlichste Angriff auf Juden seit dem Holocaust. Wer das erst einmal ins Verhältnis setzen will oder diesen Umstand gar tanzend feiert, der denkt und handelt schlicht: widerwärtig.

Geschenk für Populisten

Israel wird sich selbst zu helfen wissen. Aber es braucht Hilfe, auch durch Solidarität. Und da zeigen sich die Grenzen, an die unsere Weltordnung gerade stößt: Amerika schien ganz froh, dass im Nahen Osten Ruhe herrschte. Reicht Washingtons Aufmerksamkeit für zwei große Konflikte, da das Land selbst so zerstritten ist? Die Europäer wiederum sind nicht einmal einig, wenn es um die Ukraine geht, wie unser Autor Stefan Schmitz in dieser Ausgabe eindrucksvoll darlegt. Und sie machen keine Anstalten, Sicherheit neu oder gar vorauszudenken, etwa für den Fall einer Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus. Wo ist sie denn, die europäische Sicherheitsstrategie?

Wenn Politik so plan- wie sprachlos wirkt, ist das ein Geschenk für Populisten. Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen haben leider bestätigt, dass die AfD kein reines Ost-Phänomen mehr ist. Auch der Populismus von links könnte bald noch eine neue Heimat finden. Wie meine Kollegin Miriam Hollstein recherchiert hat, verdichten sich Hinweise auf die baldige Gründung einer Partei von Sahra Wagenknecht. Abseits der Öffentlichkeit haben ihre Unterstützer vor wenigen Tagen einen Verein gegründet, der als Startschuss für ein solches Bündnis dienen könnte. Der Verein mit dem Kürzel "BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit" wurde am 26. September 2023 beim Amtsgericht Mannheim angemeldet. "Sehr viele Menschen in unserem Land haben das Vertrauen in die Politik verloren und fühlen sich durch keine der vorhandenen Parteien mehr vertreten", heißt es in der Satzung des Vereins. Und die Abkürzung BSW steht wofür? Na, raten Sie mal, kleine Hilfestellung: Der Name ist Programm.

Erschienen in stern 42/2023