Seehofer gegen Merkel Wartezentren statt Obergrenze? Kompromiss könnte den Streit beenden

Seit Monaten liegt Angela Merkel und Horst Seehofer ein Kompromisspapier zweier Innenpolitiker aus CDU und CSU vor, das den Streit um die Obergrenze für Flüchtlinge beilegen könnte. Es schlägt einen "atmenden Richtwert" vor. Aber beide bleiben hart.

Das vierseitige Papier mit dem eher nüchternen Titel "Konzept für die Festlegung eines Richtwerts zur möglichen Aufnahme von Schutzsuchenden", das dem stern vorliegt, hat es in sich – denn es liegt bereits seit dem 30.September im Kanzleramt und in der bayerischen Staatskanzlei. Verfasser sind die beiden Innenpolitiker Armin Schuster, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Innenausschuss sowie Stephan Mayer, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Innen. Beide haben es sich zum Ziel gesetzt, einen ihrer Ansicht nach in der Sache völlig unnötigen Streit beizulegen.

In dem Kompromisspapier werden deshalb die Positionen von Merkel und Seehofer ausdrücklich aufgenommen. "Deutschland steht zu seinen humanitären Verpflichtungen und wird auch weiterhin tatsächlich verfolgten Menschen Schutz gewähren", heißt es da einerseits. Und: "Mit dem Konzept wird zugleich anerkannt, dass die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit Deutschlands nicht unbeschränkt ist."

Wie viele Flüchtlinge kann Deutschland aufnehmen?

Mayer und Schuster schlagen vor, dass anstelle der von Seehofer geforderten und von Merkel abgelehnten "Obergrenze" ein "atmender Richtwert" eingeführt wird, mit dem dann tatsächlich quantifiziert wird, "in welchem Ausmaß Deutschland seinen humanitären Verpflichtungen unter Ausnutzung seiner Kapazitäten nachkommen kann." Das wäre nah an Seehofers Position, allerdings ist in dem Mayer-Schuster-Papier keine "starre Zahl" genannt. Der Richtwert, heißt es in dem Papier, "gibt den Bürgerinnen und Bürgern damit einen Anhalt für die diesbezügliche Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens und wirkt somit dem Gefühl der Verunsicherung und Überforderung entgegen."

Statt einer starren Obergrenze schlagen die beiden Innenpolitiker einen "Zahlenkorridor" vor, der beschreibt, wie viele Schutzsuchende Deutschland in einem bestimmten Zeitraum aufnehmen kann. Dieser "atmende Richtwert" sollte anhand verschiedener Kriterien festgestellt und von Zeit zu Zeit überprüft werden. Als Kriterien führen Mayer und Schuster sechs Punkte an: Aktuelle Migrationsbewegungen und sich entwickelnde humanitäre Krisenlage weltweit; tatsächliche und finanzielle Unterbringungskapazitäten in den Bundesländern; finanzielle Kapazitäten des Bundes zur Durchführung und Förderung von Integrationsmaßnahmen.

Verzögerte Asylverfahren

Außerdem soll für den Richtwert die wirtschaftliche Lage sowie die Lage auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt werden. Zudem: die Zahl der in den letzten acht Jahren nach Deutschland zugewanderten und in Deutschland verbliebenen Schutzsuchenden sowie die Zahl der im gleichen Zeitraum in die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugewanderten und dort verbliebenen Schutzsuchenden.

Mayer und Schuster entwickeln in ihrem Papier auch Vorschläge für den Fall, dass sich die Zahl der Schutzsuchenden dem Richtwert nähert. "Als Handlungsoption denkbar wäre ein faktisches Aussetzen der Durchführung von Asylverfahren." Weiter heißt es: "Neu ankommende Schutzsuchende würden zwar ein Asylverfahren durchlaufen, aber eben nur verzögert; in der Zwischenzeit wären sie verpflichtet, sich in einzurichtende Wartezentren aufzuhalten. Eine weitergehende Handlungsoption wäre die Zurückweisung von Personen, die aus Drittstaaten kommend die Grenze nach Deutschland überschreiten wollen."